Erwin Gatz
Die Katholische Kirche in Deutschland im 20. Jahrhundert
Mit einem Beitrag von Karl-Joseph Hummel
Freiburg u.a.: Verlag Herder 2009
227 Seiten 19,95 Euro
ISBN 978-3-451-30129-2
Nachdem im vergangenen Jahr mit der Publikation des achten Bandes die „Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem 18. Jahrhundert“ abgeschlossen wurde, schiebt Erwin Gatz eine wertvolle einbändige Geschichte der deutschen katholischen Kirche im 20. Jahrhundert nach. Gatz zeigt sich darin nicht nur als großartiger Wissenschaftsorganisator, sondern auch als jemand, der Ereignisse und Entwicklungen präzise zu fassen versteht und knapp, aber nicht oberflächlich Antworten zu geben weiß.
In acht Teilen geht Gatz die Geschichte der katholischen Kirche Deutschlands an. Zunächst skizziert er die Situation im Kaiserreich an der Wende zum 20. Jahrhundert. Organisatorische Voraussetzungen werden ebenso benannt wie die innere Vielfalt des deutschen Katholizismus mit seinem Vereins- und Pressewesen, mit den Bildungsinstitutionen und Orden, mit caritativem und pastoralem Engagement. Ein eigenes Kapitel ist dem Ersten Weltkrieg gewidmet, bis hin zu den gesellschaftlichen Folgen. Die Weimarer Republik mit ihren innerkirchlichen Aufbrüchen unter der Nuntiatur Eugenio Pacellis wird im dritten Teil behandelt. Der Leiter der Bonner „Kommission für Zeitgeschichte“, Karl-Joseph Hummel, steuerte zum Abschnitt über die nationalsozialistische Herrschaft einige Teile bei. Gatz greift hier unter anderem auf neuere Forschungen über die theologischen Ausbildungsstätten und die eingeschränkten Aktivitäten der Gemeinden während der Kriegszeit zurück.
Es ist eine lobenswerte Besonderheit der Gatz’schen Studie, dass die Hälfte des Umfangs der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gewidmet ist. Dadurch können die Entwicklungen, wie sie zwischen 1945 und heute in der Vorphase des Zweiten Vatikanischen Konzils, durch das Konzil und nach dem Konzil erfolgt sind, profilierter zum Ausdruck gebracht werden. Gatz geht auf alle wesentlichen Fragen ein, sei es auf die Bewertung der Haltung der Kirche während der NS-Zeit, auf die Neugestaltung des Laienkatholizismus, aber auch auf den Sonderweg der DDR. Er bringt einen kurzen Überblick über die Rezeptionsformen des Konzils. Die beiden abschließenden Teile sind dem Wandel des deutschen Katholizismus nach 1968 gewidmet. Der Abschnitt, der die Kirche im wiedervereinigten Deutschland zum Gegenstand hat, schließt mit der Wahl des Freiburger Erzbischofs Zollitsch zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.
Erwin Gatz hat eine Monographie vorgelegt, die für Grundinformationen über die katholische Kirche in Deutschland im 20. Jahrhundert sicher zu einem Standardwerk werden wird. Die (maßvollen) Literaturangaben laden zum Weiterstudium ein. Gerade die Mischung aus Institutionengeschichte und Geschichte des kirchlichen Lebens in seiner Pluralität macht das Buch zu einem Werk, zu dem viele greifen werden, die sich über den deutschen Katholizismus informieren möchten.
Joachim Schmiedl
Quelle: Eulenfisch Literatur 2 (2009), Heft 1, S. 10. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]