Kirchengeschichte: Gestalten
Buchvorstellung - 11.09.2009
Harald Steffahn
Herrscher – Heilige – Historiker
Der Glaube in der Geschichte. Ideen und Gestalten
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagshaus 2006
199 Seiten
ISBN 978-3-7975-0128-8
Leicht liest sich das vorliegende Buch auf alle Fälle. Das hängt nicht zuletzt mit dem Autor zusammen, einem erfahrenen Journalisten. Die einzelnen Beiträge wurden alle bereits veröffentlicht, entweder in der Zeitschrift DAMALS oder als Hörfunksendungen. Schwierig mag eher der Inhalt und die Herangehensweise erscheinen. Harald Steffahns Vorhaben ist es nämlich, zu einem historischen Denken hinzuführen, das dem Rankeschen „zeigen, wie es eigentlich gewesen ist“ eine christliche Vorstellung von Geschichte entgegen setzt.
Nicht die Wiederkehr des immer Gleichen, auch nicht die schicksalsschwere Abfolge von Weltzeitaltern, sondern die Verbindung der Erwartung eines endzeitlichen Gottesreiches mit der Gestaltung der zeitlich nicht festlegbaren und abzugrenzenden Zwischenzeit macht christliches Geschichtsdenken aus. Dieser ideengeschichtliche Hintergrund durchzieht die Beiträge Steffahns. Unterschiedliche Versuche, mit Welt und Geschichte umzugehen, werden dargestellt. Dabei spielt vor allem das Verhältnis von Kirche und Staat, von Gottesbeziehung und Weltgestaltung, von Sich-Einmischen in historische Situationen und politischer Abstinenz, von Jenseits- und Paradiesesvorstellungen eine wichtige Rolle. Die gewählten Beispiele umgreifen im wesentlichen das zweite christliche Jahrtausend. Sie reichen von den mittelalterlichen Kaisern und Päpsten über Franz von Assisi und Erasmus von Rotterdam bis zum Rabbiner Leo Baeck und dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Mit großer Sympathie werden unterschiedliche Personengruppen dargestellt, seien es die nach Preußen emigrierten Hugenotten, die zwischen „Unerschrockenheit und Schweigen“ lavierenden katholischen deutschen Bischöfe im Dritten Reich und Zweiten Weltkrieg oder die aus einer unerschütterlichen Jenseitserwartung lebenden Zeugen Jehovas. Gerade der Blick über den konfessionellen Horizont hinaus kann Einseitigkeiten der eigenen Weltanschauung korrigieren helfen. Das wichtige und bleibende Ergebnis der Essays Harald Steffahns ist die Überzeugung davon, dass menschliches geschichtliches Agieren immer in Wechselbeziehung zu einem göttlichen Heilsplan mit der Welt steht. Das ist unter Historikern allerdings sehr umstritten. Um so wichtiger ist es, gelegentlich darauf aufmerksam zu machen, um nicht der Hybris menschlicher All-Machbarkeit und All-Erklärbarkeit zu erliegen. (Joachim Schmiedl)
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 36 (2007), Heft 1/2, S. 68.