Kleine Messingtafeln auf dem Gehweg erinnern vielerorts in Europa an die Schicksale der Opfer des Nationalsozialismus. Ein neues Angebot des WDR macht die Geschichte der Menschen hinter den Stolpersteinen des Künstlers Gunter Demnig nun digital zugänglich – mit Fotos, Audios, Illustrationen und Augmented Reality-Elementen. Begleitend dazu gibt es Unterrichtsmaterial von Planet Schule.
Insgesamt rund 15.000 Stolpersteine gibt es in Nordrhein-Westfalen aktuell. Die kleinen Messingtafeln stehen im Mittelpunkt des neuen WDR-Projekts „Stolpersteine NRW – Gegen das Vergessen“, das ab sofort als App auf dem Smartphone und als Desktop-Browser-Version am Rechner kostenlos genutzt werden kann.
Mit der App erfahren die Smartphone-User zu jedem Stein, vor dem sie stehen, welcher Mensch sich dahinter verbirgt. Auf Basis von Namen oder Adressen lassen sich die Stolpersteine gezielt finden. Auf der Internetseite kann man auch zuhause am PC auf einem größeren Bildschirm ortsunabhängig in der Datenbank recherchieren. Interaktiv nutzbare Filter machen es möglich, die mehr als 15.000 Biografien komfortabel zu durchsuchen.
Neben biografischen Texten, die teilweise auch als Audios zur Verfügung stehen, dienen historische Fotos, Mini-Hörspiele und Videos aus dem WDR-Archiv dazu, die Geschichte der Opfer, ihrer Wohnorte und ihrer Zeit so gut wie möglich nachvollziehbar zu machen. An ausgewählten Orten werden mit Hilfe von „Augmented Reality“ alte Aufnahmen in die heutige Umgebung eingebettet. Zudem lassen sich zum Gedenken virtuelle Kerzen an den Steinen entzünden. Das digitale WDR-Angebot enthält auch mehr als 200 gezeichnete Kurzgeschichten, die sich mit den Biografien der Menschen auseinandersetzen. Diese wurden in Zusammenarbeit mit jungen Illustratorinnen und Illustratoren der Kunsthochschule Kassel produziert.
Umfangreiches Unterrichtsmaterial für Lehrkräfte
Anfang 2020 hatte der WDR alle Städte und Gemeinden, in denen seit den 1990er Jahren die Messingtafeln in den Bürgersteigen verlegt worden sind, kontaktiert und um Kooperation gebeten. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus mehr als 200 nordrhein-westfälischen Kommunen, Initiativen und Aktionsbündnissen wurden Archive durchforstet, historische Dokumente gesichtet, Berichte von Überlebenden ausgewertet und Quellen abgeglichen. Der WDR hat diese Informationen gesammelt und multimedial aufbereitet. Zudem gibt es umfangreiches Unterrichtsmaterial für Lehrkräfte, das von der Redaktion von „Planet Schule“ erarbeitet wurde.
Die App sowie das Unterrichtsmaterial eignen sich nach Angaben des WDR für Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe I in den Fächern Geschichte, Religion, Sozialwissenschaften und Philosophie. Das Material ist in Module gegliedert. In einem Stationenlernen haben die SchülerInnen die Möglichkeit, sich Wissen über die verschiedenen Gruppen anzueignen, die Opfer des Holocaust waren und erschließen sich auf diese Weise die Biografien hinter den Steinen. Ein Exkursions-Modul führt die Gruppe zu den Stolpersteinen in ihrer Umgebung. Im Modul Medienreflexion sind die SchülerInnen aufgerufen die unterschiedlichen Varianten des Storytellings in der App zu analysieren und vergleichen. Ein weiteres Modul zum Thema Gedenken regt eine Diskussion darüber an, welche Ereignisse wir wie erinnern.
Initiator Demning unterstützt WDR-Projekt
Stolpersteine-Initiator und Künstler Gunter Demnig unterstützt das Projekt. Zum neuen WDR-Angebot sagt er: „Ich bin fasziniert von dem, was da entstanden ist. Besonders gelungen finde ich, dass ein pädagogisches Konzept mit eingebaut wurde mit der Absicht, sich an junge Menschen, an Schülerinnen und Schüler zu wenden. Das wird ein ganz anderer, neuer Geschichtsunterricht.“
App und Webangebot werden fortlaufend aktualisiert und sind Teil des Bildungsangebots des WDR – zu dem aus diesem Themenfeld auch die History-App „WDR AR 1933 – 1945“ inkl. des Projekts „Meine Freundin Anne Frank“ gehören.
(mam)