Barmherzigkeit: Theologie Bernhard Härings
Buchvorstellung - 06.07.2016
Martin Leitgöb
Bernhard Häring
Kirche im Zeichen der Barmherzigkeit
Innsbruck: Tyrolia 2015
105 Seiten, 9.95 €
ISBN 978-3-7022-3478-2
Bernhard Häring (1912-1998) war einer der bedeutendsten und bekanntesten Moraltheologen des 20. Jahrhunderts. Der Redemptoristenpater wandte sich auf Festlegung seiner Ordensoberen nach dem Zweiten Weltkrieg der Moraltheologie zu, wurde akademischer Schüler von Theodor Steinbüchel und veröffentlichte schon in den 1950er Jahren ein Standardwerk der Moraltheologie: „Das Gesetz Christi“ (1954). Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil war er theologischer Berater (zunächst Konsultor, dann Konzilsperitus) und arbeitete an der Texterstellung der Pastoralkonstitution Gaudium et spes mit. Nach dem Konzil veröffentlichte er sein dreibändiges Werk „Frei in Christus“ (1979-1981), das in alle Weltsprachen übersetzt wurde. Häring geriet wegen seines Buches „Heilender Dienst. Ethische Probleme in der modernen Medizin“ (1972) in den Blick der Glaubenskongregation, 1975 wurde ein offizielles Lehrverfahren gegen ihn eröffnet, das 1979 ohne Urteilsspruch niedergelegt wurde. Der Redemptorist blieb sein Leben lang ein kritischer Begleiter seiner Kirche, gerade in den moraltheologischen Fragestellungen der 1990er Jahre.
P. Martin Leitgöb, ebenfalls Redemptorist, arbeitet in der vorliegenden Publikation die theologischen Leitlinien Bernhard Härings heraus. Zunächst weist er vier Grundmotive auf: konsequenten Christozentrismus, biblische Fundierung, Orientierung am Menschen und ökumenische Offenheit. Dann zeigt er auf, dass dem Theologen Bernhard Häring der Begriff der „Barmherzigkeit“ zu einem Schlüsselwort seiner Theologie wurde. Im „Gesetz Christi“ ging er explizit auf die Werke der Barmherzigkeit ein, die fortan sein ganzes Schreiben durchzogen. In seinem Spätwerk 1995 „Heute Priester sein. Eine kritische Ermutigung“ betrachtete er die Eucharistie als Sakrament der Barmherzigkeit und den priesterlichen Dienst als Ermöglichung, Kirche als Zeichen der Barmherzigkeit in der Welt wirksam werden zu lassen.
Bernhard Häring hat in seinem Werk ebenso wie in seinem priesterlichen Dienst Rigorismus genauso zurückgewiesen wie Laxismus. Ihm wurden die Epikie und die Oikonomia zu Prämissen seines wissenschaftlichen Denkens wie seines priesterlichen Handelns. Er befasste sich in diesem Sinne mit den heute wieder rege diskutierten Themen der Lebenswirklichkeit von Ehe und Familie und dem Umgang der katholischen Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen.
Das Buch ist derzeit von ganz besonderem Interesse, da der Moraltheologe Bernhard Häring der Barmherzigkeit eine ebenso zentrale Rolle in seinem Werk eingeräumt hat, wie es Papst Franziskus seinem Pontifikat zugrunde legt. Allen theologisch interessierten Lesern, die sich auch Hintergründe der Theologie des Papstes erschließen möchten, sei diese Neuerscheinung sehr gerne empfohlen.
Barbara Wieland