Päpstlicher Rat zur Förderung der Neuevangelisierung
Barmherzigkeit feiern. Liturgische Anregungen
Jubiläum der Barmherzigkeit 2015-2016
Ostfildern: Schwabenverlag 2015
96 Seiten, 8.99 €
ISBN 978-3-7966-1680-8
Herausragende liturgische Feiern im Vatikan unter Leitung des Pontifex gehören untrennbar zu einem Heiligen Jahr. Neu ist, dass Papst Franziskus für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit ausdrücklich auch lokale liturgische Ereignisse vorsieht. Am sichtbarsten sind die Feiern zur Öffnung Heiliger Pforten in allen Bistümern der Weltkirche. Zur örtlichen Umsetzung des Anliegens des Hl. Jahres gehören nach Auffassung des Papstes aber nicht nur herausragende Ereignisse sondern gerade die Umsetzung in den normalen – hier liturgischen – Alltag. Alle diese Gottesdienste und die Gestaltung des Kirchenraumes wollen sorgfältig vorbereitet sein.
Der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung hat dafür eine Handreichung veröffentlicht. Beteiligt an der Abfassung waren mehrere Autoren: P. Silvano M. Maggiani OSM (Koordination), Professor an der Päpstlichen Theologischen Fakultät „Marianum“ (Theologische Hochschule des Servitenordens); Prof. Don Pietro Angelo Muroni, Dozent für Liturgiewissenschaft an der Päpstlichen Universität Urbaniana (Rom) und Prof. Mons. Angelo Lameri, Professor für Liturgiewissenschaft und Theologie der Sakramente an der Päpstlichen Lateran-Universität (Rom), ferner Konsultor der Kongregation für den Gottesdienst und des Amtes für die Liturgischen Feiern des Papstes.
Mit Interesse nehmen liturgisch Geschulte das Buch zur Hand. Es fällt beim Hineinlesen unmittelbar auf, dass es sich in erster Linie an Priester, nicht aber an Laien (unabhängig ihrer theologischen Ausbildung) richtet. Die Ausführungen beziehen sich fast ausschließlich auf Messfeiern und die Spendung der Sakramente (v.a. Taufe, Beichte). In Bezug auf die Messen wird immer wieder aus dem „Homiletischen Direktorium“, dem „Rituale Romano“, der „Grundordnung des Römischen Messbuchs“ zitiert. Und wenn im Abschnitt „Die Liturgie des Stundengebets“ zu lesen ist: „Wenn es die Liturgie erlaubt, besonders bei den Feiern mit dem Gottesvolk …“ wird deutlich, dass auch hier der Priester Adressat der Ausführungen ist. Dass das Stundengebet (wenn es in Ortsgemeinden überhaupt stattfindet) in der überwiegenden Zahl ausnahmslos von Laien getragen wird, kommt nicht in den Blick.
Auch bei der Beschreibung der „Orte der Gottesdienstfeiern“ wird die Zielrichtung deutlich, wenn dort über die Bedeutung des Altars zu lesen ist: „Man soll den Gläubigen eine ganz große Achtung gegenüber diesem Ort einflößen und es vermeiden, ihn mit fremden Objekten oder Gegenständen zu bedecken oder sie auf ihn zu legen; außerdem denke man daran, dass der Altar nicht der Ort ist, von dem aus man die Feier leitet oder ihr vorsteht oder die Lesungen verkündet – für diese Funktionen gibt es genau vorgesehene Orte wie den Sitz und den Ambo -, sondern der Ort der eucharistischen Liturgie und des Hochgebets. Deshalb soll er nicht der Ort der ‚ständigen Besetzung‘ durch den Priester oder die anderen Diener sein.“ (S. 39). Dieses Buch sei Geistlichen angesichts dieser (und weiterer) Anregungen zur Hebung des liturgischen Verständnisses in der Gottesdienstgemeinde zur Lektüre ausdrücklich empfohlen.
Bei der Zusammenstellung der „Liturgischen Anregungen“ ist die „Lectio Divina“ (S. 44-58) wörtlich der Handreichung „Gleichnisse der Barmherzigkeit“ entnommen worden – hier hätte ein Hinweis auf diese sehr gelungene Publikation genügt.
Zumindest im deutschsprachigen Raum werden nichteucharistische Gottesdienste mit wenigen Ausnahmen (z.B. an besonderen Festtagen) von Laien gefeiert, die mit bischöflicher Beauftragung die Vorbereitung und Leitung übernehmen. Vielerorts fände sonst an den Werktagen überhaupt kein öffentliches Gebet mehr in den Kirchen statt. Gerade in diesen Gottesdiensten, die sich an der Leseordnung und dem Ablauf des Kirchenjahres orientieren, kann das Thema der göttlichen Barmherzigkeit in besonderer Weise bedacht werden. Es ist zu bedauern, dass dafür jegliche Anregungen fehlen. Dies gilt auch für Hinweise zur Gestaltung von Gottesdiensten mit Familien, Kindern, Jugendlichen, Kranken und Betagten.
Abgesehen davon, dass das vorliegende Buch erst nach der Öffnung der Pforten der Barmherzigkeit in den Ortskirchen (13. Dezember 2015) erschien, hat der Leserkreis keinerlei Einfluss auf den Ablauf der vom Ortsbischof verantworteten Feiern, auch nicht auf den Abschluss, der für den 13. November 2016 vorgesehen ist. Als historisches Dokument zur Erinnerung an diese Ereignisse ist es wertvoll. So können die vollständigen Abläufe nachgelesen werden, bis hin zu den Anweisungen, welche Vorbereitungen in der Sakristei der Kathedrale vorzunehmen waren bzw. sind (S. 59-93).
Der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung hat zum Jubiläum der Barmherzigkeit 2015/2016 eine achtteilige Schriftenreihe veröffentlicht. Namhafte Theologen haben unterschiedliche Zugangswege zum Verständnis der göttlichen Barmherzigkeit herausgearbeitet. Die anderen Bände sind hier zu finden.
Barbara Wieland