Päpstlicher Rat zur Förderung der Neuevangelisierung/
Laurent Touze
Päpste und die Barmherzigkeit
Jubiläum der Barmherzigkeit 2015-2016
Ostfildern: Schwabenverlag 2015
110 Seiten, 8.99 €
ISBN 978-3-7966-1684-6
Papst Franziskus stellt sich bei der Ausrufung des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit in die Traditionslinie seiner Vorgänger, wenn er in der Bulle Misericordiae Vultus auf Worte des Hl. Johannes XXIII, des Sel. Paul VI. und des Hl. Johannes Paul II. verweist. Um diese Verbindung in Erinnerung zu rufen, hat sich Laurent Touze, Priester des Opus Dei und Dozent für die Theologie der Spiritualität an der Päpstlichen Hochschule vom Heiligen Kreuz (Rom), der Mühe unterzogen, die entsprechenden Texte zusammenzustellen und zu kategorisieren. In einer Einführung erläutert er die Kriterien, nach denen er bei seiner Recherche vorgegangen ist.
Touze legt die unmittelbare Wirksamkeit päpstlicher Worte auf das spirituelle Leben des einzelnen Gläubigen zugrunde. Bewirkte die technische Entwicklung ab dem Ende des 19. Jahrhunderts einen ersten Schub (Reisen mit der Bahn nach Rom, Radio, TV), führte die Digitalisierung zum Erleben in Echtzeit: dass der Papst bei seinen öffentlichen Auftritten live über einen Youtube-Kanal gesendet wird und seine Kernbotschaften twittert, mag sinnbildlich dafür stehen. Theologisch ist dem Autor wichtig, den „Christozentrismus der Gläubigen“ in den beiden letzten Jahrhunderten herauszuarbeiten, abzulesen am häufigen Kommunionempfang und der Herz-Jesu-Verehrung. Er weist auch nach, welche Bedeutung für diese Entwicklung die theologisch reflektierte pastorale Praxis des Jean-Marie Vianney (Hl. Pfarrer von Ars) hatte, der den Sakramentenempfang eng mit der Barmherzigkeit Gottes verband.
Die Zeitspanne der veröffentlichten Quellen reicht von Pius XI. (1922) bis zur Ankündigung des Heiligen Jahrs durch Papst Franziskus (2015). Sie werden in fünf Kategorien eingeteilt: „Die Verkündigung der Barmherzigkeit in der Geschichte des päpstlichen Lehramts“, „An den Quellen der göttlichen Barmherzigkeit“, „Maria, Mutter der Barmherzigkeit“, „Die Barmherzigkeit – das Leben der Kirche“ und „Der Christ und die Barmherzigkeit“. Die Auswahlkriterien bzw. die zeitliche Einschränkung können überzeugen, doch hätte etwas nachhaltiger darauf hingewiesen werden dürfen, dass bereits Päpste der ersten Jahrhunderte der göttlichen Barmherzigkeit eine zentrale Rolle zugewiesen haben, z.B. Leo der Große oder Gregor der Große.
Die meisten der ausgewählten Papstzitate sind zur persönlichen Betrachtung genauso gut geeignet wie zum Gebrauch im Gottesdienst. Sie regen dazu an, sich intensiv mit dem Anliegen und Anspruch der Barmherzigkeit für ein christlich geführtes Glaubens-Leben zu beschäftigen. Man kann z.B. in der Erwachsenenbildung auch danach fragen, in welche kirchlichen und politischen Situationen hinein Päpste ihre Schreiben und Ansprachen verfassten, auf welche Missstände oder Herausforderungen sie antworten wollten. Als Vorbereitung auf eine Romreise, z.B. als Pilgerreise im Heiligen Jahr, ist die Zusammenstellung hilfreich.
Touze bedauert, dass wegen der begrenzten Seitenzahl nur Textpassagen zitiert werden können, „doch die Ausschnitte regen hoffentlich dazu an, die Originale im Zusammenhang zu lesen“ (S. 21). Wie wahr – hätte der Autor auch noch angegeben, woher die deutschen Übersetzungen der päpstlichen Worte stammen, wäre eine solche erweiterte Lektüre tatsächlich eine Option. Auch für den Gebrauch im Religionsunterricht der Schule ist ein solcher Verweis unabdingbar. Sucht man in Form von Stichproben im Internet und in Bibliothekskatalogen, so findet man alle Zitate der Päpste Benedikt XVI. und Franziskus unmittelbar unter www.vatican.va. Von Papst Johannes Paul II. sind dort zwar viele Dokumente, aber nicht alle Ansprachen und Predigten in Deutsch zugänglich. Der Gesprächsband „Erinnerung und Identität“ mit ihm (2005) ist wenigstens in einigen Bibliotheken vorhanden, das beigezogene „Geistliche Tagebuch“ Papst Johannes XXIII. (1964) ist selbst in seiner zehnten und letzten Auflage von 1966 nicht leicht greifbar. Die Ansprachen von Papst Paul VI. (Konzil, Generalaudienzen) sind in deutscher Übersetzung nicht vorhanden und der Wortlaut der zitierten Texte von Papst Pius XI. (aus Miserentissimus redemptor, Ubi arcano) und Papst Pius XII. (aus Summi pontificatus) findet sich nur als inoffizielle Übersetzung unter www.kathpedia.com. Die Enzyklika Haurietis Aquas von Papst Pius XII. hingegen ist offiziell auf www.vatican.va eingestellt. Diese Reihe wäre fortsetzbar. Dennoch: Mit den genannten Einschränkungen ist dieser Band durchaus empfehlenswert.
Der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung hat zum Jubiläum der Barmherzigkeit 2015/2016 eine achtteilige Schriftenreihe veröffentlicht. Namhafte Theologen haben unterschiedliche Zugangswege zum Verständnis der göttlichen Barmherzigkeit herausgearbeitet. Die anderen Bände sind hier zu finden.
Barbara Wieland