Der "Andere Advent" wissenschaftlich betrachtet

Buchvorstellung - 22.12.2015


Annika Happe
Auf der Suche nach dem „Anderen Advent“?
Gelebte Religiosität im Weihnachtsfestkreis

 

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2015
376 Seiten, 38.00 €
ISBN 978-3-37404-168-8

 

Der Forschungsgegenstand der Promotionsschrift von Annika Happe ist der seit 1995 herausgegebene Adventskalender „Der andere Advent“, ab 1997 verantwortet vom gemeinnützigen Verein „Andere Zeiten“. Der Verein ist ökumenisch und steht den christlichen Kirchen nah. Happe legt ihrer Untersuchung zunächst Überlegungen zum Weihnachtsfest und weihnachtlicher Religiosität zugrunde, theologisch orientiert an Friedrich Schleiermachers Abhandlung „Die Weihnachtsfeier“ (1806) (S. 45-107) als Urbild des modernen Weihnachtsfestes. Daran anschließend zeigt sie Aspekte moderner Weihnachtsreligiosität auf (S. 128-169).

Im Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit steht die qualitativ-empirische Studie zum Adventskalender „Der andere Advent“ (S. 171-340). Die Forschungsmethodik folgt dem qualitativen Verfahren der „dichten Beschreibung“. Die Verfasserin hat fünfzehn „problemzentrierte Interviews“ geführt, digital aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Neun Interviews kamen in die engere wissenschaftliche Auswertung, letztlich wurden zwei von diesen ausführlich analysiert und im vorliegenden Buch dokumentiert: Hans und Lara, die weiteren sieben ergänzend in Auszügen.

In der Auswertung des wissenschaftlichen Ertrags der Studie (S. 341-360) nehmen die Aspekte „Ästhetik und religiöse Kommunikation“ einen besonderen Stellenwert ein. Die Gestaltung des Kalenders (Design) birgt ein hohes „Anregungspotenzial“, das durch die visuellen Reize zu eigenen Gedanken und Interpretationen führt. Die Befassung mit den Texten ist nicht nur in „kognitiv-reflexiver Hinsicht“ möglich; ihre Auswahl gibt „Raum für subjektive Glaubensvorstellungen sowie individuell gestaltete und gelebte Religiosität“ (S. 346). Da die Interviewten offenbar in der überwiegenden Mehrzahl als religiös affin und das Christentum praktizierend bezeichnet werden können, verwundert nicht, dass sie die Menschwerdung Gottes (und nicht etwa nur eine in sich abgeschlossene Geburtsgeschichte) als zentral für das Weihnachtsfest erachten und deshalb einer mit dem „Anderen Advent“ gestalteten Advents- und Weihnachtszeit eine hohe Bedeutung beimessen.

Wer sich als Religionslehrer in besonderer Weise mit der Praxis des Verkündigungshandelns und der religiösen Kommunikation auseinandersetzt, kann dieses Buch in einer theologischen Bibliothek gewinnbringend zu Rate ziehen.


Barbara Wieland