Clauß Peter Sajak/ Winfried Verburg (Hg.)
5-Minuten-Pause
Impulse zum Nachdenken für Lehrerinnen und Lehrer
München: DKV und Kösel Verlag 2015
128 Seiten, 12.99 €
ISBN 978-3-466-37120-4
Dieses Buch will einladen, die Arbeit für fünf Minuten in der Woche zu unterbrechen, Pause zu machen und zu Atem zu kommen. 52 Texte, Gedichte und Geschichten als hilfreiche Unterbrechung, um sich selbst wieder ins Lot zu bringen, sich neu auszurichten und Kraft zu schöpfen.
Mit einem Geleitwort von Bischof Dr. Franz-Josef Bode,
Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz
Aufmerksam sein für die Wirklichkeit
mit den Augen des Glaubens
Vielfach wird heute von der »Verdunstung des Glaubens« gesprochen. Auch der Rückgang an Glaubenswissen allgemein wird beklagt. Sicher sind Traditionsbrüche, die es auf vielen Ebenen der Gesellschaft und der Kirche gibt, nicht zu leugnen. Doch was verdunstet ist, ist nicht verschwunden, sondern in einen anderen Aggregatszustand übergegangen. Wenn es um den Glauben geht, sprechen wir dann oft von diffuser Religiosität, von Religiosität, die in der Luft liegt, wie ein Gedicht von Lothar Zenetti es anspricht. Die Suche nach dem ganz Anderen, Größeren, nach dem Mehr als alles, was habbar, kaufbar, machbar ist, ist tatsächlich eher gewachsen denn verloren gegangen. Deshalb braucht es heute sehr verschiedene Kondensationspunkte, an denen dieser diffuse Zustand sich wieder zu »lebendigem Wasser« verdichten kann. Solche Punkte sind nicht mehr nur die Gemeinden, Kirchen und Gottesdienste allein. Auch nicht nur die Gemeindekatechese oder die Jugendarbeit. Zu diesen Kondensationspunkten zählt gerade die Begegnung mit jungen Leuten in der Schule, die heute über den Lernort hinaus mehr und mehr zu einem Lebensort wird mit einer eigenen Kultur und einem eigenen Klima.
Wenn heutige Pastoral die Vielortigkeit und Vielgestaltigkeit des religiösen Suchens und Lebens nicht beachtet, wird sie wenig zukunftsfähig sein. Verschiedene Lern- und Lebensorte der (jungen) Menschen müssen aufmerksam wahrgenommen und mitgestaltet werden. Schulpastoral und Religionsunterricht an staatlichen und kirchlichen Schulen sind dabei zwei Felder, auf denen Lebenserfahrungen junger Leute zu Glaubenserfahrungen kondensieren können auf sehr verschiedene Weise. Wenn der Religionsunterricht zur umfassenden Persönlichkeitsbildung der Schüler beiträgt, einschließlich der Dimension der religiösen Wahrnehmung der Wirklichkeit, einschließlich der Kenntnis über die Grundlagen unserer christlichen Geschichte und einschließlich der Befähigung zum Dialog und zur Entscheidung bezüglich Glaube, Religion und Kirche, dann kann und darf die Person des Religionslehrers nicht nur Sachwissen über die Religion vermitteln.
Ein Musiklehrer lehrt nicht nur Musikwissen, sondern ist selbst musikalisch. Ein Sportlehrer übt nicht Bewegungsabläufe ein, wenn er nicht selbst sportlich ist. Und ein Deutschlehrer vermittelt nicht nur Sprachwissen, sondern ist selbst in hohem Maße der Sprache mächtig. Wenn also Religionsunterricht zunehmend ganzheitliche Persönlichkeitsbildung ist unter verschiedenen Aspekten, dann sind und bleiben die Person und die Persönlichkeit des Lehrers von herausragender Bedeutung. Auch den Religionslehrer prägt nicht nur sein Wissen, sondern ebenso seine persönliche Erfahrung, seine Praxis im Lebensraum der Religion, sein Standpunkt, seine Dialog- und Kritikfähigkeit.
Lehren hat nicht nur in der Religion mit Überzeugung zu tun, wenn im jungen Menschen Interesse, Wissen und Umgang mit Inhalten gezeugt werden sollen. Die eigene Aufmerksamkeit des Religionslehrers für die Wahrheit der Dinge, des Menschen, der Welt und auch der Wahrheit Gottes durchdringt seinen Unterricht zutiefst. Und nicht zuletzt die hohe Sensibilität heutiger junger Menschen für Echtheit und verantwortungsvollen, glaubwürdigen Umgang mit dem Unterrichtsgegenstand fordern vom Religionslehrer eine ständige eigene Persönlichkeitsselbstbildung sowohl im Wissen als auch im Umgang mit dem Stoff.
Spiritualität ist die Aufmerksamkeit für die Wirklichkeit mit den Augen des Glaubens oder unter dem Aspekt der Wirksamkeit Gottes in der Welt. Der christliche Religionsunterricht geht dabei von der Schöpfung und von der Menschwerdung Gottes aus und lebt aus der lebendigen Beziehung zu Jesus Christus. Im katholischen Religionsunterricht spielt dabei der Lebensraum des Geistes Christi, die Kirche, die »Improvisation des Heiligen Geistes« (wie Karl Rahner einmal sagte) eine besondere Rolle. Deshalb freue ich mich über dieses Buch mit den Fünf-Minuten-Pausen. Es kann dazu beitragen, die Spiritualität, die Aufmerksamkeit des Religionslehrers für das Größere und Andere seines Lehrstoffes und seiner Schülerinnen und Schülern – oder besser für den Größeren und Anderen – wachzuhalten, ohne dessen Annahme sein Unterricht nicht bildend und überzeugend sein kann.
Ich bin sicher, dass diese kurzen Impulse, von erfahrenen Religionspädagoginnen und -pädagogen verfasst, eine Hilfe für die spirituelle Persönlichkeitsweiterbildung aller Lehrerinnen und Lehrer sein wird, die ihren Dienst an den jungen Menschen aus christlicher Überzeugung tun. Allen Lehrerinnen und Lehrern danke ich von Herzen, die sich bemühen, die Aufmerksamkeit für den Anderen auch bei ihren Schülern zu wecken, indem sie jeden Schultag und oft unter großen Mühen zur Verdichtung von Lebenserfahrungen zu Glaubenserfahrungen beitragen und so ihrer ›Missio‹, ihrer Sendung entsprechen.
Quelle: www.katecheten-verein.de, der auch das Geleitwort von Bischof Dr. Franz-Josef Bode zur Verfügung gestellt hat.
(bw)