Uwe Maier (Hg.)
Lehr-Lernprozesse in der Schule: Referendariat
Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2014
236 Seiten, 17.99 €
ISBN 978-3-8252-3876-6
Der Sammelband ist Teil einer drei Bände umfassenden Reihe, die die konsekutive Lehrerbildung in Deutschland abbilden. Der Herausgeber widmet sich den genuinen Lernorten Universität und Schule, indem er Lehr-Lernprozesse im Studium, im Praktikum und im Referendariat in den Blick nimmt.
Der hier zu besprechende Band ist auf die Lehr-Lernprozesse im Referendariat fokussiert.
In seiner Einleitung resümiert der Herausgeber für ihn allgemeingültige Kategorien für die Analyse und Gestaltung von Lehr-Lernprozessen im Referendariat, die er bereits in der o.g. Publikation zur Universität differenziert entwickelt hat. Die knappe Darlegung benennt präzise die von ihm favorisierte Schrittigkeit einer Unterrichtsplanung und reicht m.E. als theoretisches Konzept völlig aus, den nachfolgenden Praxisbeispielen zu folgen und sie auf dieses konzeptionelle Rüstzeug zu spiegeln. In seinem Ansatz reihen sich schrittfolgenotwendig Lernzielsetzungen an fachwissenschaftliche und curriculare Vorgaben, folgen Verlaufsplanentscheide den Lernvoraussetzungen und bedingen methodische Gestaltungsentscheidungen ehe organisatorische Aspekte des Lehr-Lernprozesses angedacht werden. Reflexion und Evaluation sind als essentielle Bestandteile in den Planungsprozess zu integrieren.
Diesem Konzept folgen Praxisbeispiele der Fächer Katholische Religion (Reich-Gottes-Botschaft), Biologie (Evolutionäre Anpassung), Kunst (offener Werkstattunterricht), Geschichte (Textquellenarbeit 19.Jahrhundert). Sie zeigen die Bedeutung der einzelnen Planungsschritte an sich und als notwendige Gelingensbedingung des Folgeschrittes, beruhigen aber auch in Bezug auf die Realisierbarkeit der Schritte in der alltäglichen Unterrichtsvorbereitung.
In einem zweiten Teil gibt der Herausgeber Raum für eine etwas andere Planungskonzeption, die Josef Leisen entfaltet. Am Beispiel aus der Elektrizitätslehre nimmt der Autor den Leser/die Leserin mit in die Denkprozesse der Unterrichtsplanung. Seine grundsätzlichen konzeptionellen Überlegungen verwebt er in fiktive (?) Gespräche zwischen Referendar und Fachausbilder und die Selbstreflexionen des Referendars zu den Schritten seiner Unterrichtsplanung. Das ist kurzweilig zu lesen, wird aber notwendig ergänzt durch einen theoretischen Teil zum bereits implizit vorgestellten sechsschrittigen Planungsmodell (Kap 3), dessen Kern die Trias von Lernprodukt – Aufgabenstellung – Methode/Material bildet. Diesem Planungsmodell folgen Lernsequenzen zu „Feuer braucht Sauerstoff“ und zum Prinzip der Körperanalysewaage.
Ein dritter Teil offenbart die baden-württembergische Provenienz der Autoren und Autorinnen. Sie konnte bereits in den Kompetenzformulierungen und dem Prozessmodell der Unterrichtsplanung erahnt werden. Hier wird aber konkret aus der Arbeit des staatlichen Seminars Bad Mergentheim berichtet.
In einem einleitenden Beitrag resümiert die Ausbildungsleiterin Susanne Doll die grundsätzliche Bedeutung der Kompetenzorientierung für die Unterrichtsplanung als Perspektivwechsel und (neuen?) geschärften Blick auf die Schülerinnen und Schüler und deren Förderung in unterschiedlichen (Kompetenz-) Feldern/Bereichen. Sie orientiert sich an den „Klassikern“ (Weinert u.a.) und zitiert/summiert deren Kriterien für eine kompetenzorientierten Unterricht. Zunächst nichts wirklich Neues. Hilfreich für die Zielgruppe der Publikation - die Referendarinnen und Referendare und ihre Ausbildungsbeauftragten - ist aber der Modus, in dem die Planungsschritte eines kompetenzorientierten Unterrichts vorgestellt und entfaltet werden: die Frageform. Leitfragen zu den Planungsschritten erleichtern vor allem den Anfängerinnen und Anfängern den Umfang von Planungsaspekten realistisch einschätzen zu können. Sie reduzieren/entlasten darüber hinaus die Komplexität, indem sie Lösungswege vorgeben, die als ersten Schritt gegangen werden können und so die Angst vor dem leeren Blatt nehmen können. Sie bergen allerdings eine Gefahr, nämlich die der vollständigen Abarbeitung in der Erwartung dann „guten Unterricht“ zu planen und zeigen zu können. Eine Gefahr, der vor allem diejenigen erliegen, die bei der sequenzierten Planung verbleiben und die notwendige Verzahnung der Einzelschritte nicht leisten (können).
[Gerade diese Gefahr wird auch durch eine modularisierte Ausbildung begünstigt].
In Kapitel 3.3. stellt sich die Autorin dieser Gefahr und erläutert die Relation der vorgeschlagenen Leitfragen zu den Kriterien eines kompetenzorientierten Unterrichts. Dabei macht sie auch deutlich, dass den Aufgabenformaten im Lernprozess eine zentrale Bedeutung in der Förderung der Schülerinnen und Schüler zukommt.
Nach dieser Grundlegung ist es spannend zu ergründen, wie die vorgestellten Unterrichtsentwürfe die Seminarvorgaben und Seminarkonkretionen zur Kompetenzorientierung umsetzen. Die Beispiele aus Evangelischer Religion und Deutsch, aus Mathematik und Naturwissenschaft nehmen unterschiedliche Schwerpunkte der Kompetenzförderung in den Blick. Eine Bewertung durch die Ausbildungsleiter erfolgt nicht, unser eigenes Urteil ist gefragt. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Best-practise-Beispiele handelt.
Für die Berufsperspektive Referendariat bietet das Buch eine gute Einführung in die Unterrichtsplanung in der Praxisphase. Vor allem für das Referendariat in Baden-Württemberg wird es sehr konkret, aber auch für andere Kompetenzmodelle und Kerncurricula sind die Ausführungen hilfreich. Mir gefällt, dass kein Planungsmodell dogmatisiert wird, sondern unterschiedliche Planungsmodelle für die Konkretisierung von kompetenzorientiertem Unterricht quasi gleichberechtigt nebeneinander stehen und in ihren fachspezifischen Umsetzungen und Konsequenzen vorgestellt werden.
Zusätzlich zum Buch stellt der Verlag weitere Materialien als Online-Angebot zur Verfügung.
Frank Wenzel