Katholische Kirche im Ersten Weltkrieg

Buchvorstellung - 15.08.2014


Martin Lätzel
Die katholische Kirche im Ersten Weltkrieg
Zwischen Nationalismus und Friedenswillen


Regensburg: Pustet 2014
216 Seiten, 22 €
ISBN 978-3-7917-2581-9
 

Auf dem Buchmarkt lässt sich seit Beginn dieses Jahres eine Reihe von Neuerscheinungen zum Thema „Erster Weltkrieg“ finden. Auffällig ist aber, wie wenig sich darin mit der Rolle der Kirchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und im Krieg auseinandergesetzt wird. Eine Antwort versucht Martin Lätzel, katholischer Theologe und Publizist, in seinem Band „Die katholische Kirche im Ersten Weltkrieg“. Zunächst fällt auf, dass der Autor keine Quellenstudien betrieben, sondern auf Basis von Primär- und Sekundärliteratur sein Werk verfasst hat. Dies war auch volle Absicht, denn es geht nicht um einen neuen Forschungsbeitrag, sondern um eine „historisch-theologische Lesereise“, um einen „literarischen Spannungsbogen“ ausgehend von der Kulturkampfzeit bis hin zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf den Weg zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Zu besprechen ist eine Überblicksdarstellung, deren Textauswahl in besonderer Weise Äußerungen von institutionellen Vertretern, d.h. Amtsträgern mit hierarchisch herausgehobener Position oder Politikern, berücksichtigt.


Martin Lätzel richtet seinen Blick hauptsächlich auf das Deutsche Reich und die dortige religiöse Situation, ein Exkurs gilt der „Causa Belgien“. Zunächst erhellt er die Hintergründe, hier besonders die Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit der Moderne (Papst Pius X.; Gewerkschaftsstreit; Katholisches Milieu; Verhältnis der Katholiken zu Kaiser und Reich). Im nächsten Abschnitt geht es um die katholische Kirche im Krieg. Der Autor stellt den Kontext der damaligen Zeit her und versucht von dort die Kriegsbegeisterung der Katholiken und ihre Ergebenheit gegenüber dem protestantischen Kaiser zu erklären. Die Ausprägung einer „Kriegstheologie“, die den Krieg nicht nur als gerecht darstellt sondern ihn als im Sinne Gottes deutet, wird ebenfalls durch Beispiele aus der Literatur belegt. Der Krieg wurde von den entsprechenden Theologen als Strafe, als Erziehungswerk (wider den Verfall der Sitten) und als Gelegenheit zur Resakralisierung der Kirche gedeutet. Lätzel benennt auch die päpstlichen Bemühungen um Frieden und deren geringen Widerhall gerade in den katholischen Diözesen in Deutschland. Den Abschluss bildet ein Ausblick: Bewegungen, wie z.B. die Jugendbewegung („Quickborn“) und die Liturgische Bewegung (mit der tätigen Beteiligung von Laien am Gottesdienst) nahmen nach 1918 einen kräftigen Aufschwung. Schleichend entstand parallel dazu ein neues Nationalbewusstsein, das in den Nationalsozialismus mündete.


Bleiben Themenfelder offen? Ja. Dies ist aber auch dem Konzept geschuldet. Beim Lesen kommen immer wieder Fragen nach der Mentalitätsgeschichte, die für den Bereich der katholischen Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts bislang nur wenig erforscht ist, auf: Entsprachen die hehren Worte der Geistlichen in der Kriegspredigt dem Glaubensgut (und der Lebenserfahrung) der Gläubigen? Entfalteten die Hirtenworte eine Wirkung oder eher die Hiobsbotschaften von den Schlachtfeldern? Für die Zeit nach Kriegsende stellt sich die Frage nach Veränderungen in der Pädagogik, hier besonders im Religionsunterricht. Denn gerade dort hatten Priester Einflussmöglichkeit auf die nachwachsende Generation. Spannend ist auch die Frage, ob Reformbewegungen innerhalb der katholischen Kirche anfällig für aufkeimendes nationalsozialistisches Gedankengut waren – und ob bzw. wann sie sich davon abwandten. Gerne hätte man hierzu etwas erfahren.


Das vorgelegte Werk liest sich gut, ist informativ doch nicht zu voraussetzungsreich und lädt dazu ein, tiefer in die einzelnen Themen einzusteigen. Es sei Religionslehrerinnen und  Religionslehrern zur Lektüre ausdrücklich empfohlen.

 

Barbara Wieland