Alex Stock
Liturgie und Poesie
Zur Sprache des Gottesdienstes
Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2010
272 Seiten 17,90 €
ISBN 978-3-7666-1357-8
Der emeritierte Kölner katholische Theologe Alex Stock hat im vorliegenden Band „Liturgie und Poesie“ Aufsätze eines Zeitraums von über zwanzig Jahren (1985-2006) zusammengetragen. Im Nachweisverzeichnis fehlt nur die Quelle von B. VI. Gabenbereitung: Liturgisches Jahrbuch 53 (2003) 33-51. Die Aufsätze sind nun in zwei Blöcken („Dichten und Denken“ / „Römische Tradition“) zu je acht Abschnitten angelegt. Dabei geht der Autor auf seine ihm eigene Art vor, die sich vom theologischen Mainstream deutlich abhebt.
Sein theologisch-ästhetischer Ansatz ist in der achtbändigen „Poetischen Dogmatik“ breit entfaltet, bekundet sich aber auch durch zahlreiche Beiträge in Sammelbänden. So hat er im „Geistlichen Wunderhorn“, einer großangelegten Studie über fünfzig Kirchenlieder, neun dieser Gesänge behandelt.
In sprachlicher Analyse lotet der Autor den Gehalt von Schlüsselbegriffen in Gesangs- und Gebetstexten aus. Dabei lässt er seine besondere Liebe zum Latein durchblicken und zeigt ein feines Gespür für sinngerechte Übersetzungen. Das demonstriert er im Einzelnen etwa an ausgewählten Tagesgebeten. Insgesamt kommt er zu dem Schluss, neuere Textproduktionen setzten – aus vermeintlich pastoraler Rücksicht – einseitig auf Allgemeinverständlichkeit. Dem hält er andere Kriterien entgegen wie: poetisch reizvoll, traditionell-volkstümlich bewährt, sprachrhythmisch und -klanglich gelungen. Sprachlich elegant wirkt überhaupt sein Schreibstil im ganzen Buch.
Hinsichtlich der nachkonziliaren Liturgiereform weiß der Autor zu differenzieren. Auf Martin Mosebachs „Häresie der Formlosigkeit“ eingehend, greift er drei strittige Punkte heraus und formuliert vorsichtige Anfragen: 1. Lateinische Messe mit gregorianischem Choral: „Könnte ein ‚Ave verum’ nach der Wandlung das Kirchenvolk vielleicht mehr zur Sache bewegen als das theologisch gewiss korrekte, aber emotional etwas trockene ‚Deinen Tod, o Herr, verkünden wir...’?“ 2. Priester mit Gesicht zur Gemeinde: „Wäre vielleicht jenseits ideologischer Verkrampfungen das topologische Empfinden des sakralen Raumes noch einmal vor Ort genau zu überlegen und in eine weniger starre Begehung der Liturgie zu übertragen?“ 3. Liturgie mit starker Interaktion: „Wohin soll der homo religiosus gehen, wenn er nicht die Gemeinschaft fröhlicher Gotteskinder sucht, sondern den Ernst des Mysteriums?“ Im Hinblick auf eine „Reform der Reform“ mahnt der Autor, beim liturgischen Vollzug die Kunst und das Heilige gebührend zu respektieren.
Liturgische Texte kommen und gehen. Welche auch immer amtlich vorgelegt werden – sie verdienten zunächst Respekt. Was aber nützen die besten Texte, wenn sie nicht gekonnt dargeboten werden. Eine Liturgiereform, die vor allem auf Verständlichkeit setzt, verlange eine hohe Kompetenz von allen, die Texte präsentieren. Der Vorsteher müsse ein Gebet wirklich – in Tonfall und Blickrichtung – betend vollziehen und nicht als bloße Verlesung eines Textes. Der Lektor oder die Lektorin müssen eine Lesung – in Intonation, Artikulation, Sprechtempo – von allen mitvollziehbar vortragen. Das verlange ständige Arbeit am Detail.
Alex Stock liefert hier so etwas wie Bausteine für eine „Fundamental-Liturgik“. Diese kommt weniger bekennerfreudig daher und glorifiziert auch nicht einfach eine rituelle Vergangenheit als wertvolles Kulturerbe, sondern geht den liturgischen Dingen (Texte, Bilder, Metaphern, Figuren) auf den „Grund“.
Eckhard Jaschinski
Quelle: Eulenfisch Literatur 4 (2011), Heft 2, S. 23f.