Detlef Dieckmann/ Bernd Kollmann
Das Buch zur Bibel
Die Geschichten – Die Menschen – Die Hintergründe
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2010
640 Seiten, farb. Abb. ; 49,95 €
ISBN 978-3-579-08047-5
Mit diesem Buch wollen die Autoren „auf allgemeinverständliche Weise einem breiten Kreis von Leserinnen und Lesern einen Zugang zum ‚Buch der Bücher’ eröffnen und sie zur Lektüre der biblischen Texte anregen“. Dabei scheint bei den Adressaten an Menschen gedacht zu sein, die noch nie eine Bibel in der Hand gehabt haben, und entsprechend umfassend sind die Informationen, die in diesem Buch zur Bibel gegeben werden. Es gliedert sich in die drei Hauptteile „Die Bibel und ihre Geschichte“, „Altes Testament“ und „Neues Testament“ und wird abgeschlossen durch einen „Abbildungsnachweis“.
Der erste Hauptteil ist im Blick auf die Informationen der interessanteste, da er die grundlegenden und wesentlichen Hintergrundinformationen zur Bibel gibt. Das beginnt bei der Bedeutung des Namens „Bibel“, geht über verschiedene Bibelausgaben, die im Blick auf ihre Zielgruppen vorgestellt werden, Erläuterungen zur Frage, wie man die Bibel lesen kann, bis hin zu Hilfsmitteln für die Bibellektüre. Außerdem wird der ganze Bereich der Textkritik und die Kanonbildung dargestellt und ein geschichtlicher Überblick über die Entwicklung hin zur historisch-kritischen Exegese gegeben, das Thema Inspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift besprochen und beschrieben, welchen Stellenwert die Bibel im Judentum und im Islam hat.
Der zweite Hauptteil beginnt mit einer historischen Einführung in das Umfeld des AT, dem sich in der Reihenfolge heutiger Bibelausgaben eine Darstellung jedes alttestamentlichen Buches anschließt. Ganz ähnlich geschieht das im NT. Da das ganze Buch reich mit Karten und Bildern, die einen Eindruck von der heutigen biblischen Landschaft, aber auch von archäologischen Funden aus der Zeit des AT und NT, geben, bestückt ist und außerdem zu einzelnen Themen oder Stichworten farblich hervorgehobene, inhaltliche Zusammenfassungen enthält, gibt das Buch tatsächlich eine Fülle von Informationen, die auch in aller Regel verständlich dargeboten werden. Insofern erfüllt das Buch durchaus seinen eigenen Anspruch.
Dass bei einer derartigen Fülle nicht immer alles ganz gelingt, liegt fast in der Natur der Sache. So stellt sich etwa die Frage, ob es sinnvoll ist, die Information zur Inspiration der Bibel so von der Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel zu trennen, obwohl beides doch eng zusammengehört. Außerdem wäre eine ausführlichere theologische Begründung sicher hilfreich gewesen. Und ob sich, wenn in der farblich hervorgehobenen Darlegung zum Thema „Irrtumslosigkeit der Bibel?“ nur die fundamentalistische Sicht zu Wort kommt, bei den Adressaten nicht doch der Eindruck einstellt, diese falsche Verstehensweise der Bibel sei, trotz anderslautender Darlegung im Haupttext, die richtige? Aber das sind seltene Anfragen, die den genannten Informationsreichtum und damit den Wert des Buches kaum mindern.
Schwerer ins Gewicht fallen meines Erachtens jedoch zwei Punkte: Auf der einen Seite wird gerade beim Thema Bibel die schmerzliche Tatsache der Kirchenspaltung deutlich, auch wenn die Autoren sich darum bemühen, ihren protestantischen Standpunkt, von dem sie ausgehen, durch das Benennen der katholischen Sichtweise durchaus ökumenisch zu mildern (Klappentext). Das wird bei dem Thema „Die Apokryphen“ überdeutlich (in der katholischen Tradition heißen sie jedoch nicht „Deuterokanonen“, sondern deuterokanonische Bücher, und treten außerhalb theologischer Kreise auch nie als solche in Erscheinung, weil sie eben ganz normale Bücher des AT sind) und ist auch bei dem Thema Inspiration und Irrtumslosigkeit zu spüren. Wieder die angesprochenen Adressaten im Blick, könnte man das Buch daher kaum katholischen Lesern oder Schülern empfehlen, da ihnen dafür das Selbstverständnis und das Wissen um ihre eigene Tradition fehlt, um hier sachgerecht unterscheiden zu können. Aber, und dies sei betont, das liegt nicht an den Autoren, sondern an dem Ärgernis der Kirchenspaltung, das aber doch zu einer Einschränkung des Adressatenkreises führt. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass das Buch gerade dadurch leidet, dass es zu viel will. Dieses Zuviel kommt dadurch zustande, dass nicht etwa nur zu jedem biblischen Buch Hintergrundinformationen gegeben werden, sondern dass jedes biblische Buch in der Regel Kapitel für Kapitel nacherzählt wird. Das führt nicht nur zu manch skurrilem Ergebnis (Die Darlegung z. B. zu Ps 117 [263] ist länger als der Psalm an sich!), sondern dazu, dass das Buch so umfangreich geworden ist. Dadurch wird es unhandlich und unübersichtlich, weil man die hinführende Information zu einem biblischen Buch, das man in seiner Bibel lesen möchte, erst suchen muss. Außerdem ist die Schriftgröße, wohl um einen noch größeren Umfang zu vermeiden, so klein geraten, dass das Lesen auch für Menschen mit guten Augen mühsam ist, weil man den Hauptteil der Aufmerksamkeit dem Lesevorgang statt dem Inhalt widmen muss. Das ist schade. Hier wäre weniger tatsächlich mehr gewesen, da man dann ein kurzes, handliches Arbeitsbuch zur Bibel in den Händen hielte und nicht ein Buch, das in der Gefahr steht, zu einem Bibel-Ersatz zu werden. Zumindest bei Schülern wäre das wohl meist der Fall. Denn welcher Schüler machte sich heute noch die Mühe, ein biblisches Buch oder einen Abschnitt aus ihm zu lesen, wenn er in diesem „Buch zur Bibel“ so schöne Zusammenfassungen mundgerecht dargereicht bekommt?
Sebastian Schneider
Quelle: Eulenfisch Literatur 4 (2011), Heft 2, S. 13f.