Zeitgemäße Bedeutung der Bibel

Buchvorstellung - 15.09.2011

Dorothee Boss
Bibel (kompakt)

Würzburg: Echter Verlag 2010
78 Seiten 5,00 €
ISBN 978-3-429-03208-1

Die katholische Theologin Dorothee Boss legt mit ihrem Buch Bibel (kompakt) nach Gottesdienst (kompakt), Glaube (kompakt), Hochzeit (kompakt) und Kirche (kompakt) ein weiteres kleines Büchlein dieser Reihe vor, in welchem sie versucht, den Lesern „eine zeitgemäße Bedeutung des ‚Buchs der Bücher’ (zu) erschließen“.  Zu Beginn ihrer Einführung geht sie auf die Frage nach der Entstehung der Bibel ein und erläutert recht allgemein und leicht verständlich mögliche Motivationen und geschichtliche Hintergründe, die zur Entstehung der Schriften führten, ohne sich in Details zu verlieren.

Obwohl die Autorin auf die Vielfältigkeit und diversen Probleme bei der Adressatenbestimmung der Schriften hinweist, vermeidet sie es, dies an Beispielen zu konkretisieren oder auf mögliche Konsequenzen einzugehen.
Die Bibel als ein Buch aus vielen Büchern bzw. Schriften ist das Thema des zweiten Kapitels. Neben einer Begriffserklärung des Wortes „Bibel“ und einer Erläuterung der Papyrusherstellung widmet sie sich dem Tradierungsprozess von Handschriften und der Notwendigkeit der Entstehung von Bibelübersetzungen. Gleichwohl die Autorin durchaus gängige neue deutsche Bibelübersetzungen anführt, geht sie leider nicht auf ihre jeweiligen Charakteristika ein und führt keine neueren Bibelübersetzungen, wie
z.B. Bibel in gerechter Sprache, an. Es folgt eine kurze Darstellung des Kanonisierungsprozesses und der unterschiedlichen Kanones in den einzelnen Traditionen, wobei sie den Schwerpunkt auf den katholischen Kanon legt.

Der dritte Teil des Buches wendet sich den biblischen Schriften zu, wobei die Autorin die mittlerweile unübliche und irreführende Bezeichnung vom Zweiten für das Neue Testament verwendet. Bei der Vorstellung der Bücher des Ersten Testaments (AT) hält sie sich an die klassische Aufteilung in Pentateuch, deuteronomistisches Geschichtswerk, chronistisches Geschichtswerk, Dichtungen, poetische Literatur und Prophetenbücher. Hier versucht sie zentrale Linien und Gedanken der einzelnen übergeordneten „Sammlungen“ darzustellen, ohne detaillierter z.B. auf Eigenarten, Inhalte, Adressaten oder Entstehungshypothesen der einzelnen Bücher einzugehen. Auch für das Zweite Testament (NT) stellt sie zentrale Linien und Gedanken vor, wobei sie hier etwas genauer auf die einzelnen Schriften eingeht. Dabei wird suggeriert, dass die Autorenschaft immer als bewiesen gilt, was jedoch nicht unbedingt der Fall ist. Prägnant und sehr verständlich erläutert sie die Entstehungsprozesse sowie die Hintergründe der einzelnen neutestamentlichen Schriften.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Bedeutung der Bibel, wobei die Autorin diese vornehmlich als ein Geschichtsbuch und ein Werk der Weltliteratur betrachtet. Hier wendet Frau Boss sich ausdrücklich gegen ein Verständnis, welches die Bibel als ein „von Gott persönlich diktiertes Geschichtsbuch“ ansieht, das „irrtumslos und unfehlbar ist“. Am Ende des Büchleins zeigt sie Möglichkeiten für einen zeitgemäßen Umgang mit der Bibel sowohl auf individueller als auch auf gemeinschaftlicher Ebene. Dabei skizziert sie Möglichkeiten der Umsetzung und gibt einige Hinweise zu begleitenden Materialien.
Dorothee Boss konzentriert sich bei ihren Darstellungen stets auf den kleinsten wissenschaftlich vertretbaren Konsens und verliert sich nicht in unnötigen Details oder Fachdiskussionen. Gleichwohl ist kritisch anzumerken, dass die Autorin recht einseitig nur die historisch-kritische Methode als eine Möglichkeit der Bibelauslegung in den Blick nimmt und die Leser mit weitergehenden Literaturempfehlungen alleine lässt. Das Büchlein eignet sich als eine erste Hinführung in die Welt der Bibel, weil es notwendiges Hintergrundwissen vermittelt und zu weitergehenden Fragestellungen anregt. Es kann gut als begleitendes Material für Bibelkreise oder für die Erwachsenenkatechese verwendet werden.

Annett Gierke-Ungermann

Quelle: Eulenfisch Literatur 4 (2011), Heft 2, S. 4f.