Lerntheorie - Lebenslanges Lernen

Buchvorstellung - 10.10.2011

Knud Illeris
Lernen verstehen
Bedingungen erfolgreichen Lernens

Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2010
268 Seiten
ISBN 978-3-7815-1763-9


Knud Illeris erweitert in dem vorliegenden Buch seine bereits 1999 veröffentlichten grundsätzlichen Überlegungen zum Thema Lernen in eine Lerntheorie, deren Basis die Bedingungen erfolgreichen Lernens in einem lebenslangen Prozess aufzeichnet und analysiert. Nach einer ersten Arbeitsdefinition werden Grundlagen eines psychologischen, biologischen, hirnphysiologischen und gesellschaftlichen Lernverständnisses benannt. Aus dieser multiperspektivischen Herangehensweise müssten, so der Autor, Prozesse und Dimensionen von Lernen bestimmt, unterschiedliche Lerntypen beschrieben und Inhaltsdimensionen entfaltet werden, um sich einer umfassenden Lerntheorie zu nähern. Illeris rezipiert die „Klassiker“ und gibt in einer leicht verständlichen Fassung deren Lerntypologien wieder.

Für ihn sind Faktoren wie Interaktion, Motivation, Emotion entscheidende Parameter bei der Bestimmung von Lernvorgängen in sozialer Verankerung. In diesem ganzheitlichen Verständnis wird auch der Kompetenzbegriff bemüht, ohne ihn allerdings überzustrapazieren. Aus der Erfahrung und der persönlichen Entwicklung zeige Kompetenz an, „dass eine Person breiter qualifiziert ist“. Es geht ihm in Anlehnung an Joergensen „nicht nur darum, dass die Person ein fachliches Gebiet beherrscht, sondern dass sie ihr fachliches Wissen auch anwenden kann, mehr noch: dass sie es in einer Situation anwenden kann, die möglicherweise unklar und unvorhersehbar ist“. Damit werden Fragen der Haltung und des Urteilsvermögens miteinbezogen und die Identität der Person und deren Ausbildung in den Mittelpunkt gerückt. In seiner Widergabe der Lerntheorien geht Illeris auch auf Lernbarrieren und die daraus sich ergebenden Konsequenzen für eine umfassende Lerntheorie ein. Ihnen widmet er ein ganzes Kapitel von Fehllernen bis Lernwiderständen. Wichtig für ein umfassendes Lernverständnis seien auch genetisch bedingte Faktoren ebenso wie kulturelle, genderspezifische und lernaltersabhängige in unterschiedlichen Lernräumen.

Knut Ileris gelingt ein leicht lesbares Buch, das sehr seriös durch die klassischen lerntheoretischen Ansätze führt, diese pointiert wiedergibt und für seine umfassende, mehrdimensionale und mehrperspektivische eigene Theorie summativ und qualifizierend nutzt. Sein Verständnis von Lernen liegt in einem „integrativen Prozess, der immer einen direkten oder über Medien vermittelten Interaktionsprozess zwischen dem Individuum und dem sozialen Umfeld umfasst.“ Der Prozess kann in den Dimensionen Inhalt, Antrieb und Interaktion beschrieben werden, hat aber notwendig neben der individuellen auch eine gesellschaftliche und soziale Ebene. Diese Interaktion ist eine lebenslange, sie geschieht kumulativ, assimilativ, akkomodativ oder transformativ. Dabei legt er großen Wert auf die Lernbereitschaft der Menschen und fordert perspektivisch auch als Rahmenbedingung für die Gestaltung von Lernumgebungen und Lernsettings: „Lernen ist von Grund auf lustbetont“, damit kein neutraler, sondern ein hoch emotionaler, politischer, sozialer, interaktiver etc. Prozess.


Frank Wenzel