Wandel des Gottesbildes

Buchvorstellung - 30.11.2009

Gottfried Vanoni
Bernhard Heininger
Das Reich Gottes.
Perspektiven des Alten und Neuen Testaments
(Die Neue Echter Bibel – Themen, 4)


Würzburg: Echter 2002.
120 Seiten, 14,00 €.
ISBN 978- 3-429-02170-2

Ein erster Blick in das Register der Einheitsübersetzung fällt ernüchternd aus: Die Wortfügung „Reich Gottes“ ist im Alten Testament nur einmal belegt (Weisheit 10,10). Das Neue Testament hingegen weist hier rund hundert Belege auf. Ist also „Reich Gottes“ überhaupt ein Thema für das Alte Testament? Gottfrieds Vanonis Darstellung nimmt bei dieser Frage ihren Ausgangspunkt.

Er weitet seine Perspektive und formuliert folgende Leitfragen: Was ist im Alten Testament mit Gott als König gemeint? Was wird alles über den Gott Israel ausgesagt? Für die daran anknüpfende kanonische Lektüre, welche auch diachrone Beobachtungen mit einschließt, legt er zunächst die hebräischen, aramäischen und griechischen Thema- Wörter fest. Also: malkût, mlk etc., mˇsl, ˇslt sowie griechische Wörter mit dem Stamm basil-. Bei der fortlaufenden Lektüre achtet er zudem auf die Rhema-Wörter, d.h. Begleitwörter, die einen neuen Sachverhalt einführen. Im Durchgang durch die hebräischen, respektive griechischen Texte lassen sich der Grundtendenz nach folgende Akzentverschiebungen erkennen: die Vorstellung vom kriegerischen Gottkönig wandelt sich hin zum Bild von Gott als einem Liebenden. Die Septuaginta (LXX) unterstreicht in diesem Gefälle weitere Seiten des königlichen Gottes: seine Milde und sein Erbarmen. Insgesamt kristallisiert eine wiederholte Lektüre folgende Vorstellung heraus: „Gott ist König von Anfang an“ (Ps 93). Sie zielt im Kern auf ein Bekenntnis: Nur einer soll herrschen, nicht ein Mensch, sondern Gott! Somit wird Gottes Herrschaft zur einschränkenden Grenze einer Herrschaft von Menschen über andere Menschen.

Bernhard Heininger arbeitet in seiner Darstellung eher traditionsgeschichtlich. Von den 162 Stellen, welche im Neuen Testament von der basileia tou theou sprechen, finden sich 121 in den synoptischen Evangelien. Gott und seine Herrschaft stellen sich als das zentrale Thema Jesu dar. Umstritten ist allerdings, wie die basileia konkret zu verstehen ist. Ist sie zukünftig oder gegenwärtig? Ein erster Teil, welcher der Vorstellung von Gott als König in der Umwelt des Neuen Testaments (apokalyptische Texte, Qumran, Philo) nachgeht, zeigt, dass die Erfahrung dieser Königsherrschaft zunehmend in die Ferne rückt. Der zweite Teil wendet sich der Gottesherrschaft in der Predigt Jesu zu. Zentrales Erlebnis Jesu ist dabei seine Vision vom Sturz des Satans (Lk 10,18). Gott hat im Himmel das Böse entmachtet und seine Herrschaft aufgerichtet. Jesus fühlt sich dazu berufen, dies auf der Erde z.B. mit den Heilungen und den Exorzismen fortzusetzen. Das Gottesreich dehnt sich also räumlich bis ins Hier und Jetzt hinein. Es wird zur erfahrbaren Gegenwart Gottes. Andere Aussagen, die mehr vom Zukünftigen der basileia sprechen, erklären sich dabei möglicherweise aus der Biographie Jesu: Sie könnten ein Reflex auf die zunehmende Ablehnung gegen Ende seines Lebens sein. Der dritte Teil wendet sich dann der frühchristlichen Rezeption zu. Dort ist ein Trend zur Reapokalyptisierung der Jesustradition zu beobachten. Die Reich Gottes Theologie bekommt eine stark christologische Färbung. Paulus schließlich löst die Spannung von gegenwärtiger und zukünftiger basileia personal: gegenwärtig als basileia Christi und zukünftig als basileia Gottes. In der Zusammenschau machen die Darstellungen von Vanoni und Heininger eines deutlich: Das Reich Gottes ist ein zentrales Thema und Anliegen biblischer Theologie.

Michael Hartmann (2007)

Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 2008.