Helmut Utzschneider (Hg.)
Blum, Erhard (Hg.)
Lesarten der Bibel.
Untersuchungen zu einer Theorie der Exegese des Alten Testaments
Stuttgart: Kohlhammer 2006
320 Seiten, Ill. 32,00€
ISBN 978-3-17-019720-6
"Lesarten der Bibel" bietet eine Sammlung neuerer exegetischer Methoden zur Erschließung alttestamentlicher Texte. Erarbeitet wurden diese neuen Ansätze in dem 1996 an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau konstituierten Arbeitskreis ‚Theorie der Exegese'.
Die eigentliche Zielsetzung, den Kanon der exegetischen Methodenlehre zu erneuern, scheitert zunächst an der Polyvalenz der in diese Publikation eingeflossenen Methodenansätze. Phänomenologisch lassen sich diese in zwei Gruppen unterteilen: Überarbeitung, Erweiterung und Ersetzung traditioneller Methoden (Hardmeier/Hunziker-Rodewald, Blum, Schwienhorst-Schönberger, Carr, Oswald, Krispenz, Krüger, Seiler) und alternative, unter einem bestimmten Aspekt weiterführende (Steins, Utzschneider, Fischer, Jost, Gillmayr-Bucher) oder sich auf einzelne Sprachgestalten beziehende Exegesemethoden (Bar-Efrat, Weber, Nitsche). In dieser Polyvalenz sind Leitlinien erkennbar, die die neueren Exegesemethoden kennzeichnen. Auffällig ist zunächst eine Konzentration auf den Kanon als für eine Glaubensgemeinschaft autoritatives Dokument (Fortführung des von Childs begründeten canonical approach). Teil der innerkanonischen Auslegung ist eine vermehrt intertextuelle Arbeit (Seiler), die sich nicht auf den Endtext beschränkt, sondern die auch auf der Ebene der einzelnen Redaktionsstufen angewendet wird (Utzschneider, Seiler). Eine zweite Leitlinie stellt der kommunikationstheoretische Zugang dar. Mit ihm wird nach dem lesenden oder hörenden Rezipienten gefragt und mit ihm nach der Leserlenkung durch den Verfasser (Hardmeier/Hunziker-Rodewald, Bar-Efrat, Weber).
Eng verbunden mit der Rezeption der Texte ist die Erforschung der Funktion von Text (Hardmeier/Hunziker-Rodewald, Blum, Weber, Nitsche) und Textgestaltung (Bar-Efrat, Weber, Nitsche), die von der Form- und Gattungsgeschichte ausgehend auf die semantische Analyse ausgeweitet wird. Neben die auf die aktuelle Textgestalt bezogene Beschreibung tritt als dritte Leitlinie die Darstellung der Wirkungsgeschichte (Weber, Gillmayr-Bucher). Diese ist an sich Textrezeption, kann innerkanonisch aber auch zur Intertextualität werden, wenn die Rezeption sich in kanonischen Texten auswirkt.
Dieser sehr gelungene Sammelband neuerer exegetischer Methoden und die ihn prägenden Leitlinien werden die Diskussion über den Methodenkanon neu anregen. Erst das Ergebnis dieser Diskussion mit vor allem wissenschaftlich konservativeren Kreisen wird einen Hinweis über die Zukunft exegetischer Arbeit geben können.
Thomas Wagner (2007)
Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 2008.