Die Bücher der Könige

Buchvorstellung - 14.12.2010

Barbara Schmitz
Prophetie und Königtum
Eine narratologisch-historische Methodologie entwickelt an
den Königsbüchern
(FAT, 60)

Tübingen: Mohr Siebeck 2008
460 Seiten, € 99,00
ISBN 978-3-16-149665-3

„Prophetie und Königtum“ ist die geringfügig überarbeitete Habilitationsschrift der Verfasserin. Ihr umfassendes Anliegen ist es, mittels einer narratologischhistorischen Methodologie eine Brücke zwischen synchronen und diachronen Lektüreweisen zu schaffen. Dabei sind in der historischen Fragestellung zwei Aspekte zu unterscheiden: die Entstehung des Textes und seine Lektüre. Im sehr dichten Kap. I entwirft Schmitz ihre Methodologie, ausgehend von einem rezeptionsästhetisch modifizierten Kommunikationsmodell. Sie legt besonderen Wert auf die Differenzierung von Autor und Erzählstimme, auf die Wahrnehmung der Fokalisierung und auf die Einbeziehung der textexternen Ebene. „Das hier vorgestellte Modell einer narratologisch-historischen Methodologie nimmt seinen Ausgang von narratologischen Textanalysen und zielt darauf, die historischen Kontexte in die Bedeutungskonzeption des Textes einzubeziehen.“ (79)

Im Folgenden werden 1 Kön 13 und 1 Kön 22 mittels der entworfenen Methodologie analysiert. Die sehr schwierigen Erzählungen werden zunächst ausführlich und detailliert narratologisch untersucht. Beide Texte weisen inhaltlich je eine prophetische und eine politische Fragestellung auf („Prophetie und Königtum“), wobei besonders die Problematik der Unterscheidung von wahrer und falscher Prophetie thematisiert wird. Die rezeptionsästhetisch fokussierte Analyse zeigt neue Lösungswege für das Verständnis der Texte, manches bleibt offen (und muss es wohl bleiben). Sodann werden die beiden Texte im Gesamt der Königsbücher verortet, wobei sich zeigt, dass beide in ihrem unmittelbaren Kontext kaum verankert
sind, aber Bezüge zu Texten im 3. Abschnitt der Königsbücher aufweisen: 1 Kön 13 zu 2 Kön 23 (Joschija) und 1 Kön 22 zu 2 Kön 25, dem Schluss der Königsbücher.

Für die historische Fragestellung sucht Schmitz nach „Spuren, die von den Lesenden als die dem Text eingeschriebenen Bedeutungen aufgezeigt werden können und die Hinweise auf die mit der Komposition der Königsbücher verbundenen autorintendierten Perspektiven geben.“ (381) So kommt sie für 1 Kön 13 zu einem joschijanischen, für 1 Kön 22 zu einem exilischen Autor und sieht darin Konvergenzen zum entstehungsgeschichtlichen Modell von F. M. Cross. Der joschijanische Autor stellt das „Buch der Tora“ über die Prophetie, der exilische Autor reflektiert die Erfahrung, dass auch die Tora interpretationsbedürftig ist.

Die Frage nach der Entstehungsgeschichte, die aus der narratologischen Untersuchung entwickelt wird, stellt zweifellos einen entscheidenden Schritt hin zum historisch-kritischen Ansatz dar, ausgehend vom Text und seiner Analyse im Kontext. Eine vollständige Überbrückung des viel beschworenen „Grabens“ lässt sich damit wohl nicht bewerkstelligen, allerdings eine bedeutsame Annäherung in den Fragestellungen (die freilich aus unterschiedlichen Richtungen kommen), die neben den inhaltlichen Ergebnissen, die zum Verständnis der Texte beitragen, ein wichtiges Verdienst dieser Studie darstellt.

Agnethe Siquans (2010)

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