Verhältnis von Jugend und Kirche in empirischen Erhebungen

Buchvorstellung - 28.06.2011

Patrick Becker/ Stephan Mokry (Hg.)
Jugend heute – Kirche heute?
Konsequenzen aus der Jugendforschung für Theologie, Pastoral und (Religions-)Unterricht

Würzburg: Echter Verlag. 2010
151 Seiten, ill. 14,80 €
ISBN 978-3-429-03289-0

Der Band dokumentiert eine Münchener Studientagung von 2009 und reflektiert das problematische Verhältnis von Jugend und Kirche auf dem Hintergrund der jüngsten empirischen Erhebungen (Sinus, Shell). Die Empirie scheint statistisch zu bestätigen, was eigentlich schon länger augenfällig ist: Die Kirche hat „nur noch einen höchst selektiven Zugang zu Jugendlichen – nur zu bestimmten Milieus und auch dort nur zu bestimmten Zeitpunkten“. Welche Konsequenzen sind aus diesen Erkenntnissen für Jugendpastoral und Religionsunterricht zu ziehen?
 

Die acht Beiträge gehen mit unterschiedlichen Akzenten und nur ansatzweise konkret und praktisch auf diesen Notstand ein. Die Erhebungen machen z. B. nochmals das vernichtende Urteil der Jugendlichen über Sonntagsgottesdienste klar: Darin „zeigt sich explizit, was symptomatisch ist für den ganzen Bereich der pfarrgemeindlichen Pastoral: die weitgehende stilistisch-ästhetische Ausgrenzung junger Menschen, die von der Liturgie bis zur Gemeindekultur reicht“. Umgekehrt lässt sich auch beobachten, dass Jugendliche die Kirche erreichen, wenn Kirchliches in die jugendliche Lebenswelt „passt“, wenn religiöse Inhalte „funktional zu den dort herrschenden ‚Logiken‘ sind“. Das erfordere eine lebensweltdifferenzierte und lebensweltpräsente Pastoral. Was das genau bedeuten soll,ist leider nicht zu lesen. An anderer Stelle findet sich der wohlmeinende Vorschlag, Kirche „sollte jugendkulturell bemerkbar sein“, „vor allem Medienpräsenz“: Man brauche „soaps, in denen auch mal einer vom seinem Glauben erzählt ...“. Motiv: diakonisch starkes religiöses Material anzubieten, um Abgrenzung zu ermöglichen und „popkulturelle Distinktionsgewinne zu erzielen“. Der religionspädagogische Nutzwert solcher Aktionen darf wohl zu Recht angezweifelt werden.

Erkennbar praxisnäher und hilfreicher ist da schon die Aufforderung Martin Lechners, die eigene Religion Jugendlicher richtig wahrzunehmen und zu fördern. Dazu braucht es einen adäquaten Religionsbegriff und einen hermeneutischen Schlüssel, um religiöse Ausdrucksformen bei jungen Menschen richtig zu erkennen und zu würdigen. Eine „pluralitätsfähige Religionspädagogik“ kann für Lechner keine „rein konfessionelle Zielperspektive“ mehr verfolgen. Vielmehr gehe es um die Kompetenz zu einem gelingenden Leben. Eine „religionssensible Erziehung“ soll anleiten, vertrauensvoll mit dem labilen und fragmentarischen Leben umzugehen. Doch das alles ist den praktischen Religionspädagogen (besonders in der Schule) bereits vertraut. Insofern bietet der Band zwar nützliche Informationen zur neueren Jugendforschung, erlaubt aber wenig therapeutische Erkenntnisse bezüglich der schmerzlichen Diagnose.

Reiner Jungnitsch

Quelle: Eulenfisch Literatur 4 (2011), Heft 1, S. 26.