Nachschlagewerk zum Kirchenrecht

Buchvorstellung - 24.06.2011

Sabine Demel
Handbuch Kirchenrecht
Grundbegriffe für Studium und Praxis

Freiburg u. a. 2010: Verlag Herder
688 Seiten 58,00 €
ISBN 978-3-451-30389-0

Mit dem Handbuch Kirchenrecht legt Sabine Demel, Inhaberin des Lehrstuhls für Kirchenrecht an der Universität Regensburg, ein Nachschlagewerk für an kirchenrechtlichen Fragestellungen interessierte Leserinnen und Leser vor. In 143 alphabetisch geordneten Artikeln erläutert sie die kirchlichen und kirchenrechtlichen Grundbegriffe.
 

Vorangestellt ist den Beiträgen ein Kapitel über die Konzeption des Buchs, in dem die Verfasserin ihrem Werk eine Programmatik voranstellt: „Vorsicht! Kirchenrecht aus Frauenhand“ – die Sensibilität für die Geschlechterfrage wird auch daran deutlich, dass auf eine geschlechtergerechte Sprache Wert gelegt wird. Zugleich versteht Demel das Handbuch als Beitrag, der das Vorurteil, Kirchenrecht sei „[v]ermufft, vorgestrig, abstruses Sondergebiet in Kirche und Theologie“ (Klappentext), zu widerlegen beabsichtigt. Das Werk ist weder explizit als Lexikon noch als Lehrbuch konzipiert. So werden „kirchenrechtliche Detailbegriffe aus Spezialgebieten“ nicht wiedergegeben, es fehlen z. B. völlig Begriffe aus dem Ordens- und Prozessrecht. Zwar dient das Handbuch als Nachschlagewerk, stellt aber zugleich einen Überblick über die wissenschaftliche Agenda der Verfasserin dar. In diesem Sinn rückt Demel unter anderem die Stellung der Laien und speziell der Frauen in der Kirche ins Zentrum der Betrachtung. Ihr Engagement für eine Synodalisierung kirchlicher Strukturen findet seinen Niederschlag, ebenso werden ihr Einsatz für den Schwangerenkonfliktberatungsträger donum vitae und ihre Mitarbeit im Zentralkomitee der deutschen Katholiken anhand der gewählten Themen deutlich. Das Handbuch ist also sowohl Informationsquelle als auch roter Faden durch das bisherige Werk der Verfasserin und ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte.

Die Verfasserin begründet die Auswahl der kommentierten Materie mit einem Verweis auf den dreifachen Praxisbezug der Beiträge: Sie nimmt Sachverhalte mit praktischer Bedeutung für Christinnen und Christen in den Blick, richtet ihr Interesse auf Gegenstände, über die auch innerkirchlich Unklarheiten bestehen und vermittelt kirchenrechtliches Grundlagenwissen über Struktur und Organisation der Kirche, das notwendig ist, um andere rechtliche Sachverhalte zu verstehen. Clustert man die alphabetisch geordneten Begriffe, lassen sich folgende Themengruppen herausarbeiten: Ein Großteil der Beiträge dreht sich um den Topos von Recht und Gesetz. Kirchenrecht stellt für Demel mehr als eine Sammlung kirchlicher Normen dar, sie stellt es in einen größeren normativen Zusammenhang. Recht dient dem Menschen, ist daher nicht von Theologie, Ethik und Moral zu trennen. Davon zeugen unter anderem Beiträge wie Kirchenrecht und das Heil der Seelen oder (Kirchen-)Recht und Moral. In diesem

Sinne findet sich im Handbuch ein weiterer Topos, den man als ekklesiologische Ortsbestimmung des Kirchenrechts charakterisieren könnte: Kirche wird von Demel als theologische Größe, als Communio, als vom Glaubenssinn der Gläubigen bestimmt, als Demokratie und Hierarchie, als komplexe Wirklichkeit und Sakrament des Heils, als Volk Gottes der Laien und Kleriker, als Kirche der Liebe und des Rechts, des Charismas und des Weiheamts charakterisiert. Indem sie den Charakter der Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen betont, räumt sie der Synodalität als einer rechtlichen Organisationsform große Bedeutung ein. Die meisten Artikel lassen sich im weitesten Sinn unter dem Oberbegriff Verfassung der Kirche vereinen. Hierunter lassen sich Beiträge zu kirchlichem Amt und Vollmacht zusammenfassen. In engem Zusammenhang stehen Ausführungen über die Kirche als Organisation aus Klerikern und Laien – die Fülle des Materials über Laien und die besondere Betonung der Mitwirkungsrechte der Laien zeugen vom Engagement der Verfasserin für Laienrechte in der Kirche. Weiter finden sich Abhandlungen über Kirchenorganisation, (synodale) Gremien und Vereinigungen in der Kirche. Ein großer Artikelkomplex befasst sich mit Sakramenten und Sakramentalien in der Kirche. Einige Begriffe drehen sich im weiteren Sinn um den Komplex Kirche und Staat. Die Beiträge zu Kirchenmitgliedschaft und -austritt berücksichtigen aktuelle Fragen. So wird z. B. die aktuelle Debatte um die Gleichsetzbarkeit von Kirchenaustritt und Glaubensabfall einbezogen. Die Beiträge zum kirchlichen Strafrecht ranken sich um die rechtliche Behandlung der Abtreibung, ein Thema, dass im Werk der Verfasserin eine wiederkehrende Rolle spielt; ebenso wie die Ausführungen, die sich unter dem Begriffspaar Freiheit und Gehorsam vereinen lassen: christlicher Gehorsam, Meinungsfreiheit und Forschungsfreiheit, Treueeid und Lehrprüfungsverfahren. Von Demels Arbeitsschwerpunkten sprechen ferner die Artikel zu Ökumene und Zölibat. Wer an Recht und Struktur der Kirche auch in praktisch-politischer Dimension Interesse hat, wird das Werk als ausgesprochen lesenswert empfinden, was dazu beiträgt, den nicht geringen Anschaffungspreis zu verschmerzen.

Judith Hahn

Quelle: Eulenfisch Literatur 4 (2011), Heft 1, S. 22f.