Hubert Frankemölle
Das Matthäusevangelium
Neu übersetzt und kommentiert
Stuttgart: Verlag kath. Bibelwerk. 2010
272 Seiten
19,90 €
ISBN 978-3-30025-5
Mit diesem Band erscheint im Verlag kath. Bibelwerk nach dem Markusevangelium ein zweiter Kurzkommentar, der dem Matthäusevangelium gewidmet ist. Der dafür gewonnene Autor Hubert Frankemölle ist emeritierter Professor für Exegese des NT in Paderborn und ein ausgewiesener Kenner des Matthäusevangeliums, der nicht nur bereits einen wissenschaftlichen Matthäuskommentar vorgelegt hat, sondern in seinen Arbeiten auch die Verbindungen der neutestamentlichen Schriften zum Judentum besonders hervorhebt. Beides wird an dem vorliegenden Kommentar deutlich.
In der Einleitung werden auf knappe Weise die Gemeinde des Evangelisten, ihre Einbettung in das damalige Judentum, die historischen Rahmenbedingungen der Zeit Jesu und des Evangelisten, die theologische Eigentümlichkeit dieses Evangeliums und sein Aufbau dargelegt. Zwei Schaubilder versuchen letzteres anschaulich zu machen. Daran schließt sich der Kommentarteil an, der jeweils den Text des Matthäusevangeliums, in Abschnitte gegliedert, in neuer Übersetzung vorlegt, um sie dann auszulegen. Den Schluss des Buches bildet ein Anhang, der neben kurzen Hinweisen zur Übersetzung und zur weiterführenden Literatur vor allem ein Glossar enthält, in dem exegetische und bibeltheologische Begriffe erklärt werden. Dies, wie auch die Tatsache, dass das Buch verständlich und nachvollziehbar geschrieben ist, tragen dazu bei, dass man es ohne theologische oder exegetische Vorbildung lesen kann, so dass es sich für ein breites Publikum wie z. B. für Lektoren und Lektorinnen oder für Schüler und Schülerinnen der Oberstufe eignet. Man muss sich nur von vornherein darauf einstellen, dass interessante Einzelfragen, wenn überhaupt, höchstens angedeutet sind, weil hauptsächlich „die theologische Gesamtkomposition, thematische Linien und die Kernbotschaft des matthäischen Textes erläutert“ werden. Doch das ist bei der erzwungenen Knappheit des Kommentars auch gar nicht anders möglich. Dafür wird man durch eine Darstellung, die auf Schritt und Tritt das Jüdische des Matthäusevangeliums hervorhebt, entschädigt – eine grundlegende und wichtige, aber heute immer noch zu wenig bekannte Einsicht!
Das lässt manche Übertreibung, die sich durch diese Betonung ergibt, verschmerzen. Ein Beispiel: Es dürfte kaum gehen, die Reaktion der Jünger beim Sturm auf dem See in Mt 8,25 auf Ps 105,47 zurückzuführen und sie als „die angemessene Reaktion der Glaubenden“ zu bezeichnen, wenn unmittelbar danach in V 26 die Jünger dafür vorwurfsvoll als „Kleingläubige“ bezeichnet werden, was Frankemölle dann mühsam zurechtbiegen muss. Und ob es, trotz der Last der Geschichte, für Christen nicht erlaubt ist, Juden zu kritisieren, wie es der Kommentar nahezulegen scheint, wäre immerhin zu diskutieren. Ärgerlicher ist dagegen, dass die Einleitung recht unstrukturiert daherkommt, so dass man nach der Lektüre eher ratlos zurückbleibt. Das betrifft besonders auch die Gliederung des Evangeliums, die zwar erklärt, aber nie übersichtlich zusammengefasst wird, so dass man sich weder hier noch im Kommentarteil einen Überblick verschaffen kann; die beiden Schaubilder der Einleitung waren für mich völlig unverständlich. Gelegentliche Hinweise im Kommentar bleiben dafür zu knapp oder zu undeutlich, und auch das Druckbild hilft hier kaum weiter. Diese kleinen Kritikpunkte schmälern aber nicht den Wert des Kommentars, der dazu ermuntert und anleitet, das Matthäusevangelium als Zeugnis von Christus in seiner Verflochtenheit in die jüdische Welt Jesu und des Evangelisten neu zu entdecken.
Sebastian Schneider
Quelle: Eulenfisch Literatur 4 (2011), Heft 1, S. 19f.