Ulrich Berges/ Rudolf Hoppe
Arm und reich
Die Neue Echter Bibel – Themen; Bd. 10
Würzburg: Echter Verlag. 2009
136 Seiten 14,40 €
ISBN 978-3-429-02176-4
Die beiden Autoren, der Münsteraner Alttestamentler Ulrich Berges und der Bonner Neutestamentler Rudolf Hoppe, haben ein wichtiges und hilfreiches Buch vorgelegt. Sie bearbeiten in der Themenreihe von „Die neue Echter Bibel“ das immer wieder aktuelle und bleibend zentrale biblische Thema „arm und reich“. Zunächst macht jeder der beiden Autoren seine Exegetenarbeit. Beide behandeln ihr Thema in seiner ganzen Breite und Tiefe zunächst in der jüdischen Bibel, dem Alten Testament, und dann ebenso in der christlichen Bibel, dem Neuen Testament.
Dann wechseln sie – wie in jedem Band der Reihe – in einem abschließenden Dialog die Perspektive bzw. schärfen das Thema noch einmal in Kenntnis des je anderen Textes. Rudolf Hoppe stellt am Ende seines Dialogbeitrags den zentralen Unterschied heraus: Israel steht in einer jahrhundertelangen Tradition der Eigenstaatlichkeit. Diese wird geprägt durch den Exodus und die Wüstenwanderung und vor allem durch das Erbarmen Jahwes mit seinem geschundenen Volk. Das kennzeichne das sensible Gespür für die soziale Frage in den Gesetzestexten des Alten Testamentes.
Ganz anders dagegen die Situation der urchristlichen Gemeinden in neutestamentlicher Zeit. Diese hatten sich in der hellenistischen Mehrheitsgesellschaft zu bewegen: Wie sollten sie als darin Fremde das soziale Erbe Israels und die provozierende Botschaft Jesu denn in Kleinasien und Griechenland bewahren? Hoppe betont: „Die Erinnerung an Jesus und seine Definition des Lebens, an seine Botschaft von Gott, der die Niedrigen erhöht, die Reichen gehen lässt mit leeren Händen (Lk 1,53) und den Armen die Teilhabe an seiner Herrschaft zusagt, ist das entscheidende Kriterium christlicher Existenz. Dieses Erbe des Jesus von Nazareth ist aber auch die überzeitliche Verpflichtung für alle, die sich auf den Gott der Bibel berufen.“
Die beiden Autoren können und wollen uns nicht die Arbeit abnehmen, wie wir nach diesen Kriterien von arm und reich heute, in modernen funktional ausdifferenzierten Gesellschaften mit all ihren Krisen-, Konflikt-, Globalisierungs- und Erfolgsgeschichten oder den wechselnden Entfremdungs-und Katastrophenszenarien denn Christen und Kirchen sein können. Sie ermöglichen uns aber, diese theologische (gesellschaftliche, politische, diakonische...) Arbeit adäquater und nüchterner leisten zu können.
Ulrich Berges resümiert am Ende mit Bedacht und Entschiedenheit: „Das theologische Anliegen beider Schriftsammlungen, den Heilswillen JHWHs durch sein erwähltes Volk Israel und seinen erwählten Knecht Jesus von Nazareth zu bezeugen, stößt unweigerlich auf die gesellschaftliche Problematik von arm und reich und muss sich mit ihr auseinandersetzen. Daran hat sich seit dem Beginn der literarischen Produktion im biblischen Israel vor ca. 2800 Jahren über die Schriften der entstehenden frühchristlichen Gemeinden bis in die heutige Verkündigungspraxis nichts geändert.“
Wer sich dieser Herausforderung stellt, findet in diesem bibeltheologischen Buch grundlegende und grundsolide Hilfe – in verständlicher Sprache, nötiger Differenzierung und sympathischer Kürze, in der erforderlichen Entschiedenheit und ohne Verharmlosung der Nachfolgeforderung: ein empfehlenswertes Buch.
Heiner Ludwig
Quelle: Eulenfisch Literatur 4 (2011), Heft 1, S. 13f.