Barmherzigkeit und Gerechtigkeit im AT
Buchvorstellung - 27.03.2010
Ruth Scoralick (Hg.)
Das Drama der Barmherzigkeit Gottes
Studien zur biblischen Gottesrede und ihrer
Wirkungsgeschichte in Judentum und Christentum
(SBS, 183)
Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk 1999
240 Seiten, € 30,20
ISBN 3-460-04831-X
Einer der zentralen Texte des Ersten Testaments, Ex 34,6f, stellt Gott als den Barmherzigen und Gnädigen heraus. Dort ist jedoch auch davon die Rede, dass Gott die Schuld der Väter nicht (ganz) ungestraft lässt und heimsucht. Was bedeutet das konkret? Welche Elemente bestimmen das Handeln des lebendigen Gottes? Wie geht das Erste Testament mit der Spannung von Recht und Barmherzigkeit im Gottesbild um? Im Horizont dieser Fragen bewegen sich die Beiträge der vorliegenden Stuttgarter Bibelstudie.
Sie versammelt in erster Linie die Vorträge eines Münsteraner Forschungssymposiums anlässlich des 60. Geburtstages von Alttestamentler Erich Zenger. Den Reigen der Beiträge eröffnet Ottmar Fuchs mit Überlegungen zu einer Eschatologie der Klage. Bernd Janowski entwickelt sodann den religionsgeschichtlichen Hintergrund und den Kontext der Rede von der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit im Alten Orient. Die anschließenden Beiträge entfalten anhand konkreter Texte einzelne Aspekte des Themas. Christoph Dohmen liest Psalm 103 vor dem Hintergrund der Beziehungen zur Sinaiperikope Ex 32-34 sowie zum Vaterunser und profiliert den Psalm so als einen Brückentext zwischen Judentum und Christentum. Marie-Theres Wackers intra- und intertextuell arbeitende Studie geht auf die Akzentuierungen der Gottesrede im Buch Joel ein und stellt deren Verschiedenartigkeit heraus. Hans-Peter Müller wendet sich Kohelet zu, der sich im Blick auf seine Lebenserfahrung weder von der Gerechtigkeit noch von der Barmherzigkeit Gottes überzeugen kann. Ausgehend von den Schlüsselbegriffen des Psalms 103 entfaltet Rolf Rendtorff schließlich das Evangelium von der Barmherzigkeit Gottes im Ersten Testament. Die drei verbleibenden Beiträge wenden sich allesamt wirkungsgeschichtlichen Aspekten der Gottesrede des Ersten Testaments zu. Gerhard Bodendorfer untersucht die rabbinische Auslegung der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes. Sein Schwerpunkt liegt auf der Psalmenauslegung der Rabbinen. Beate Ego wendet sich dem Sprichwort von „Maß gegen Maß“ zu, welches die gerechte Entsprechung von Tun und Ergehen behauptet. Ihr Schwerpunkt liegt auf den verschiedenen Verwendungen dieses Sprichwortes im Bereich der Aggada der tannaitischen und frühamoräischen Zeit von 70 bis 250 n.Chr. Abschließend geht es Karl Löning anhand von zwei Sabbat-Therapien im lukanischen Reisebericht (Lk 13,10-17; Lk 14,1-6) um die Frage, wie sich die pharisäische Sabbat-Observanz und das frühchristliche Verständnis von Gottes Barmherzigkeit zueinander verhalten.
Die gesammelten Beiträge des Forschungssymposiums sind allesamt sehr gelehrt und bieten eine Fülle an Materialien und Anregungen. Sie machen deutlich, wie facetten- und spannungsreich das Thema von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit im Gottesbild des Ersten Testaments ist.
Michael Hartmann (2008)
Quelle: www.biblische-buecherschau.de 2008
Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart