Das Buch Hiob

Buchvorstellung - 14.02.2011

Konrad Schmid
Hiob als biblisches und antikes Buch
Historische und intellektuelle Kontexte seiner Theologie (SBS, 219)

Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk 2010
110 S., €22,80
ISBN 978-3-460-03194-4


Die Studie nimmt bereits erschienene Aufsätze zum Ijobbuch (kurz Ijob) auf und ergänzt sie durch neue Teile. S. versteht Ijob als diskursive Literatur, die nur im Zusammenspiel der Buchteile und in den inner- und außerbiblischen Kontexten angemessen zu erfassen ist (7).

Gegenüber zahlreichen Versuchen, den Rahmen und die Dialoge entstehungsgeschichtlich zu trennen (Diskussion S.11-18), hält S. daran fest, dass das Gespräch zwischen Prolog, Dialogen, Gottesreden und Epilog „konstitutiv für die hermeneutische Eigenart des Buchs“ (8) ist. Unterschiedliche Leseperspektiven seien möglich (vom Prolog her, von den Gottesreden her etc.), aber nicht alle entsprächen der Verfasserintention (9). Hier ist zu fragen, ob das denn notwendig ist: Können LeserInnen nicht Perspektiven entdecken, die der Verfasser nicht im Blick hatte? Wohl aber ist zwischen beiden zu differenzieren. S. betont die „Internationalität und Ökumenizität“ von Ijob: Israel wird als Teil der altorientalischen Welt wahrgenommen. Kap.2 erörtert das Zusammenspiel der Buchteile, das ein „ausgeklügeltes System von literarischen checks and balances“ (30) entwickle. Das Ijobproblem werde nicht gelöst, sondern die Botschaft lautet: „Gott ist Gott“ – Ijob kritisiert damit jede Pseudotheologie. Kap.3 behandelt die innerbiblischen Bezugnahmen, v.a. auf Priesterschrift und „Deuteronomismus“, auf einige prophetische Texte und Psalmen. Allen diesen Texten gegenüber ist Ijob skeptisch, er betreibe „dialektische Schriftkritik“ (54), wobei die Elihu-Reden das Bild wieder positiver und orthodoxer zeichnen. Ebenso sei die narrative Logik des Ijob dialektisch ausgerichtet: Alle Lösungsansätze werden durch andere Teile relativiert. Kap.4 diskutiert die Beziehungen zur altorientalischen Literatur, zu der es einerseits Verbindungen gibt, die andererseits aber die besondere Eigenart des Ijob zeigen. Kap.5 befasst sich mit dem zeit-und sozialgeschichtlichen Hintergrund, wobei S. sehr vorsichtig mit historischen oder historisierenden Hinweisen umgeht: Sie sind nicht kurzschlüssig auf Abfassungszeit und –ort zu übertragen. Ijob wird doppelt lebensweltlich verortet: in der Zeit Nabonids (6.Jh.v.Chr.) und in der Zeit der Erzeltern, wodurch einerseits die Erfahrung politischer Instabilität aufgerufen wird, andererseits ein kritisches Licht auf die Genesisüberlieferungen fällt. Als Abfassungsort nimmt S. Jerusalem an, als wahrscheinlichste Entstehungszeit das Ende des 4.Jh.v.Chr. Kap.6 beleuchtet einige Aspekte der historischen Theologie des Ijob (Monotheismus, Kosmologie, Anthropologie), betont aber, dass Theologie, das angemessene Reden von Gott, selbst das Thema des Buches sei. Zuletzt verweist er kurz auf die Rezeption Ijobs, des leidenden Gerechten, als Paradigma für Jesus sowie auf den Codex Sinaiticus, der mit der Schlussstellung des Ijob eine Brücke zum NT herstellt.

S. stellt in diesem Büchlein zahlreiche Beobachtungen zu Ijob im Kontext der Bibel und des Alten Orients kritisch zusammen und kommt so zu einer zeitgemäßen theologischen Deutung, die die Widerständigkeit und Vielstimmigkeit des Buches respektiert und seine Radikalität zum Ausdruck bringt: „Mit seiner spezifischen Bestimmung der Entzogenheit Gottes für den Menschen – oder, weniger scharf gesagt, mit seiner kompromisslosen Betonung der Gottheit Gottes – ist es wohl noch radikaler als das Qoheletbuch …“ (83). S. eröffnet damit einen reflektierten Weg zum Verständnis des Ijobbuches.

Agnethe Siquans

Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 1/ 2011