Karlheinz Rebel
Heterogenität als Chance nutzen lernen
Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2011
264 Seiten
ISBN 978-3-7815-1722-6
Der Autor stellt im vorliegenden Band ein Lernmodul vor, das das Ziel verfolgt, Heterogenität als Chance zu sehen und diese zu nutzen für unterschiedliche – in der Regel schulische – Lernprozesse. Das Modul ist für ein selbständiges Lernen mit den angebotenen Materialien angelegt. Es bietet eine methodologische Annäherung an den Begriff Heterogenität, der zunächst als Arbeitsbegriff im hermeneutischen Feld von Inhomogenität und Pluralität entfaltet wird bevor daraus Konsequenzen für die Arbeit im Modul beschrieben werden.
Es folgen Kurzkapitel zum Umgang mit dem Material und zur Arbeit im Modul, insbesondere zu den wichtigen „Reflexionspunkten“, die jedes thematische Feld abschließen und in denen der Lerner angeregt wird, sich perspektivisch und persönlich dem jeweiligen Feld zu stellen und sich zu den angebotenen und bearbeiteten Materialien zu positionieren. Neben der inhaltlichen Wertung werden auch metakognitive Aspekte zur eigenen Lernbiografie und zum Arbeitsprozess selbst reflektiert. Als Verschriftlichung wird hierzu die Arbeit mit einem Lernprozessportfolio präferiert, ohne dieses allerdings ausführlich vorzustellen.
Der als „Lesebuchteil“ überschriebene Teil B besteht aus Exzerpten unterschiedlichster Couleur, in der Hauptsache aber aus Aufsätzen und Fachzeitschriften. Die Exzerpte hat der Autor selbst angefertigt und in der Regel mit einer einleitenden Kommentierung versehen. Er verweist zwar auf die Unverzichtbarkeit der Originallektüre, bietet aber die Exzerpte umfangreich und sachangemessen in hoher Qualität an. Außerdem beziehen sich die im Modullernen so wichtigen Reflexionspunkte auf die Informationen aus dem Kapitel selbst, d.h. die Exzerpte und nicht die Originalschriften, sodass der Lerner eine sehr hohe intrinsische Motivation mitbringen muss, um zusätzlich diese Lektüre zu leisten.
Im Gesamten bieten die Exzerpte einen breiten Überblick über unterschiedliche Facetten von Heterogenität. Sie decken die zu erwartenden Themenfelder ab. In den großen Kapiteln I und II wird die schulische Perspektive aus unterrichtspraktischer Sicht beleuchtet. Hier exzerpiert der Autor das Themenheft des Journals für LehrerInnenbildung und das Friedrich Jahresheft ausgiebig. Es folgen, Genderfrage, Behinderung, Interkulturalität und Religion ebenso auf der Ebene von Aufsätzen in Fachzeitschriften oder im Internet.
Teil C widmet sich den pädagogischen und fachdidaktischen Konsequenzen, die sich aus Teil B für die Arbeit in Schule und Lehrerbildung ergeben. Hier werden fachspezifische und (fach)didaktische Fragestellungen angesprochen und unterrichtspraktische Folgerungen vorgestellt. Ein kleiner Anhang in Teil D vervollständigt die Aspekte der Praxis.
Für Religionspädagogen vielleicht besonders interessant ist das Kapitel VII „Heterogenität und Religion“. Es soll hier auf rpp-katholisch.de noch einmal genauer vorgestellt werden:
Inhaltliche Basis bilden die EKD-Denkschrift „Maße des Menschlichen“ von 2003, ein Beitrag von Gabriele Obst und Karin Volkwein im Friedrich Jahresheft 2004 „Aylin erklärt Markus das Christentum“ und ein Vortrag des braunschweiger Theologieprofessors Gottfried Orth „Von der Wahrnehmung des Fremden im RU zur Heterogenität im Klassenzimmer“ (2007). Die Originaltexte werden vom Autor in souveräner Weise exzerpiert und mit einer für das Verständnis hilfreichen Einleitung versehen. Dabei gelingt m.E. die Balance zwischen möglichst autorengenauer Wiedergabe und strukturierter Zusammenfassung und Wertung, bzw. Fokussierung auf die Problemstellung. Auch die Reflexionspunkte bieten nachdenkenswerte Anregungen, vor allem wenn sie zwischen einem Nachdenken als Individuum oder als Religionslehrkraft differenzieren, bzw. Arbeitsvorschläge zur Spiegelung der persönlichen Erfahrungen am vorgestellten Sachverhalt machen.
Über die Auswahl der Basistexte kann sicherlich trefflich gestritten werden, dies spare ich mir. Ich hätte mir aber gewünscht, dass die Gründe und Entscheide, die dazu geführt haben, etwas differenzierter dargelegt würden. Im Kapitel „Heterogenität und Religion“ geschieht dies lediglich durch den Hinweis auf die Bedeutung einer „Dialogischen Religionspädagogik“ und deren Basis für interkulturelles Lernen. Dass die folgenden Texte „Interesse“ dafür „wecken“ sollen kann m.E. jeder leicht nachvollziehen. Was aber m.E. wichtig wäre, wäre die Einordnung der Texte in diese Diskussion um das Thema und evtl. deren Abgrenzung zu anderen Positionen. Hier bleibt eine Leerstelle. Im Selbstverständnis eines Selbstlernmoduls muss dieses Desiderat noch einmal schärfer angesprochen werden, zieht es sich doch durchgehend durch alle Kapitel, sodass grundsätzlich bemängelt werden muss, dass die Begründung der Textauswahl differenzierter ausfallen könnte. Ferner sollten die Textnachweise der Internetquellen mit URL und Datum versehen werden, damit die gewünschte Originallektüre nicht durch arbeitsintensive Findstrategien konterkariert wird.
Abschließend soll noch einmal die besondere Leistung des vorliegenden Buches resümiert werden. Dem Autor gelingt es, einen Überblick über das große Thema der Heterogenität so zu präsentieren, dass ein Leser/Lerner hilfreiche Orientierung und Strukturierung auf einem Lernpfad durch dieses Themenfeld erhält. „Vorrang dabei hat die Selbststeuerung dieses Lernens durch den Lernenden selbst, durch sein freies Manövrieren im Buch, einem eigenen selbst erstellten Lernpfad folgend.“ Dieser Wertung des Klappentextes kann vorbehaltlos zugestimmt werden, zumal die Qualität der Exzerpte ein solches Lernen im Reflexionsprozess unterstützen.
Frank Wenzel