Ursula Sieg
Feste der Religionen
Werkbuch für Schulen und Gemeinden
Düsseldorf: Patmos Verlag. 2003
164 S. m. zahlr. sw-Abb. Format DIN A 4, EURO 19.90
ISBN 3-491-75726-6
Islamische Weihnacht – Weihnukka! Tut man hier nicht einem christlichen Fest Gewalt an? Der Annäherung zwischen den verschiedenen Religionen würde damit kein guter Dienst geleistet. Aber sind sich die Weltreligionen, vor allem die drei großen Religionen Judentum, Christentum und Islam, die in diesen Betrachtungen den Schwerpunkt bilden, wirklich so fremd? Erklärtes Ziel dieses Werkbuches ist unter anderem der Abbau von falschen Vorstellungen über die andere Religion. Rein theoretische, rationale Abhandlungen sind sicher wichtig und auch wirksam. Am nachhaltigsten aber wirken zweifellos selbst gemachte Erfahrungen und Erlebnisse. Hier wird ein solcher neuer Weg gewählt. Eine Religion durch ihre Feste kennen zu lernen, ist sicher nicht der schlechteste Weg.
Was man da an Gemeinsamkeiten entdecken kann, ist schon sehr erstaunlich. Es müssen nicht immer spezifisch religiöse Äußerungen sein. Auch Symbole, die aus sich selbst eine bestimmte Aussagekraft besitzen, können Verbindungen schaffen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Symbol des Lichtes, das sowohl beim jüdischen Chanukka-Fest im Dezember als auch in der christlichen Advents- und Weihnachtszeit eine zentrale Rolle spielt. So lassen sich mühelos Brücken schlagen. Überraschend ist ein hier vorgeschlagener Weg zum Islam. Kaum ein Moslem in unseren Breiten wird sich dem Einfluss des Weihnachtsfestes entziehen können. Die verhältnismäßig zahlreichen Aussagen im Koran über Jesus bieten eine gute Möglichkeit zu einer „weihnachtlichen“ Verständigung. Da es auch im Islam – ähnlich wie im Christentum die Apokryphen/Pseudepigraphen – neben dem Koran zahlreiche weitere Überlieferungen gibt, die ebenfalls viele Aussagen über Jesus enthalten, lässt sich allein aus diesen islamischen Quellen eine „Weihnachtsgeschichte“ erstellen, die sehr stark an christliche Weihnachtslegenden erinnert und die hier in diesem Band nicht nur als Erzähltext, sondern auch noch als islamisches Weihnachtsspiel vorliegt (wobei man den Begriff „Weihnachtsspiel“ besser vermeiden sollte!).
Ob ein solches Vorhaben allerdings verwirklicht werden kann, hängt sehr stark vom Verhältnis zwischen Christen und Muslimen vor Ort ab. Auf jeden Fall sollte man mit solchen Projekten sehr behutsam umgehen. Vor allem muss jeglicher Anschein eines Missionierungsversuches vermieden werden. Auch wird dringend geraten, sich vorher mit Vertretern des Islam abzusprechen. Wie gut dies möglich ist, zeigt ein angeführtes Beispiel aus Hamburg, wo dieses Projekt in der Praxis erprobt worden ist.
Neben diesem hier etwas ausführlicher dargestellten Beispiel kommen auch andere Feste der Religionen zur Sprache, teilweise in Form der Information, besonders jedoch im Vergleich untereinander. Die Feste um Abraham und Jerusalem bieten sich da als gemeinsame Themen für die abrahamitischen Religionen an. Schwieriger wird es, wenn Religionen einbezogen werden sollen, die in unserer Gesellschaft – abgesehen von einigen Brennpunkten – kaum wahrgenommen werden. Diese Schwierigkeiten kann man auch am vorliegenden Werkbuch erkennen. Trotzdem versucht die Verfasserin, es nicht bei rein sachlichen Informationen zu belassen, die aber gerade bei weniger bekannten Religionen notwendig sind. So beschäftigt sich ein Kapitel mit der alevitischen Religion, die über kurdische Einwanderer in manchen deutschen Städten bekannt geworden ist. Und über die Darstellung der Neujahrsfeste in den einzelnen Religionen erfährt man sogar etwas über Newroz – das altiranische Neujahrsfest – welches ebenfalls kurdische Einwanderer feiern.
Besonders erwähnt werden muss hier das vierte Kapitel: Festkreise und Freiarbeitsmaterial. Spielend und sehr anschaulich kann man hier die Festkreise beim Judentum, Christentum und Islam „erlernen“. Ein eigenes Kapitel gegen Ende des Werkbuches befasst sich mit der „Bedeutung der Feste im Alltag – Religion und interreligiöse Begegnung“. Von den 10 Erklärungen sind für die Begegnung der Religionen untereinander die letzten vier besonders interessant: Feste als „Katechismus“; Feste als „Aushängeschild“; Feste als „Empfangshalle“ und Feste als „Katalysator“ für Begegnungen. Praktische Hinweise für den Gebrauch dieses Bandes schließen den inhaltlichen Teil ab. Darin wird auch auf die Schwierigkeiten, die bei der praktischen Arbeit auftauchen, hingewiesen, soweit sie nicht schon bei den einzelnen Themen angesprochen worden sind. Ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis und der Bildnachweis bilden den Abschluss. Sicher wird man angegebene Projekte nicht überall verwirklichen können. Allein der Informationswert lohnt die Beschäftigung mit diesem Thema, sei es im Religionsunterricht, aber auch vor allen in der Erwachsenenbildung.
Helmut Bahr
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 33 (2004), Heft 4, S. 265.