Verständnis des Bösen im Islam im Vergleich zum Christentum

Buchvorstellung - 27.05.2011

Klaus Berger, Harald Herholz, Ulrich Niemann (Hg.)
Das Böse in der Sicht des Islam

Regensburg: Verlag Friedrich Pustet. 2009
127 Seiten, 16,90 Euro
ISBN 978-3-7917-2181-1

Die drei großen Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam besitzen einen gemeinsamen Maßstab, eine oberste Norm: einen einzigen Gott, den sie als Schöpfer und alleinigen Herrn des Lebens sehen. Im interreligiösen Gespräch ist es jedoch wichtig, neben den Gemeinsamkeiten die Unterschiede auszuloten. Der Band „Das Böse in der Sicht des Islam“ ist das Ergebnis einer interdisziplinären Forschungstagung, die 2007 an der Frankfurter Jesuiten-Hochschule St. Georgen stattfand. Aus Sicht der Religionsphänomenologie zeigen die Autoren auf, wie der Islam das Böse versteht und vergleichen dies mit dem Christentum.

In einer Zeit, in der das Christentum in weiten Teilen Europas seine Prägekraft auf die Kultur zunehmend verliert, ist das Nachdenken auch über seinen Wesenskern umso bedeutsamer. Einen zentralen Beitrag leistet Stefan Wild mit seiner Untersuchung über „Das Böse, das Übel und die Sünde im Koran“. Der Ursprung des Bösen, der menschlichen Sünde liegt nach koranischer Darstellung in der Weigerung eines Engels oder Dämons, den Befehl Gottes zu befolgen. Der Koran, so Wild weiter, teile weder die christliche Lehre von der überpersönlichen Erbschuld der Erbsünde noch die davon ausgehende Anschauung von der Erlösungsbedürftigkeit der Welt. Indes spreche der Koran vom Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gesetz. Demnach tue der Mensch Böses, wenn er dem göttlichen Gesetz zuwiderhandle.

Der Band ist bemerkenswert, weil er unter anderem das Problem der Gewalt im Namen von Religionen und die Entstehungsbedingungen fundamentalistischer und gewaltbereiter Haltungen ins Visier nimmt. Zum Beispiel erläutert Georg Evers das Konzept des Jihad. Jihad, meist fälschlicherweise mit „Heiliger Krieg“ übersetzt, bedeute im eigentlichen Sinne "Anstrengung, Einsatz für ein Ziel". Der Jihad als bewaffneter Kampf sei nur dann erlaubt, wenn der Islam angegriffen werde und sich gegen Vernichtung verteidigen müsse. Und es sei ein Beispiel für die Toleranz des Islam, dass er nicht zuletzt für ein friedliches Miteinander der Religionen in Asien sorge, wo mehr als die Hälfte der Muslime leben. Der rote Faden des Buches ist die Frage, inwiefern ethische Grundsätze unser Leben beeinflussen und mit welchen Konzepten die Religionen den Menschen anregen, Gutes zu Tun und Böses zu lassen. Der Facettenreichtum der Antworten unterstreicht die Relevanz dieses Themas.

Christine Leuchtenmüller

Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 2, S. 61. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]