Umgang mit Tod und Bestattung

Buchvorstellung - 22.04.2011

Reiner Sörries
Ruhe sanft
Kulturgeschichte des Friedhofs

Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2009
330 Seiten, 49 S/W-Fotos, 24,90 Euro
ISBN 978-3-7666-1316-5

Der eher besinnlich anmutende Titel mag darüber hinwegtäuschen, dass der Umgang mit Tod und Bestattung sich im deutschsprachigen Raum während des letzten Jahrzehnts dramatisch verändert hat: Der Friedhof als konventioneller Bestattungsort hat starke Konkurrenz erhalten. Dies macht Reiner Sörries, evangelischer Pfarrer und Direktor des Kasseler Museums für Sepulkralkultur, in seinem Buch immer wieder deutlich.

Er spannt einen weiten Bogen über eine 2000-jährige Geschichte der Friedhofskultur – vom „Erfinden“ des realen Friedhofs seitens der frühen Christen über die Verlegung des Kirchhofs vom Stadtzentrum nach außen bis hin zum virtuellen Friedhof im Cyberspace. Man spürt auf jeder Seite, dass der Autor die Materie souverän beherrscht. Dies wird außerdem dokumentiert in 339 Anmerkungen und einem Literaturverzeichnis mit 208 Titeln. Der Text wird illustriert durch 49 Schwarz-Weiß-Fotos.

Sörries braucht keinen allgemeinen Kulturverfall zu beklagen, sondern kann an die Dinge im Einzelnen objektiv herangehen und danach seine wohl abgewogenen Schlüsse ziehen. Für ihn ist es etwa undenkbar, dass sich Hinterbliebene die Toten so aneignen, dass sie ganz von der Bildfläche verschwinden und somit öffentlichem Gedenken entzogen werden. Dann würde sich Trauer von Abschiedsritualen in „Bleiberituale“ verwandeln, bis hin zu einer regelrechten Vergötzung der endlosen Traurigkeit. Andererseits stellt Sörries fest, „dass parallel zu einer Entwicklung des Bedeutungsverlustes der Friedhöfe als Begräbnisstätten das Interesse an historischen Friedhöfen wächst. Sowohl einzelne Friedhöfe wie auch regionale und überregionale Friedhofslandschaften werden als wesentlicher Bestandteil des kollektiven kulturellen Gedächtnisses wahrgenommen“.

Die zunehmende Privatisierung und Differenzierung der Bestattung trifft auch den Dienst der Kirchen. Ihnen bieten sich nach Ansicht Sörries’ durchaus Chancen: So könnte der kirchliche Friedhof eine bleibende Alternative sein, sofern er Elemente christlicher Verkündigung enthält. Da die Entwicklung hin zur Vielfalt der Bestattungsformen nach persönlichem Wunsch oder nach den Vorstellungen einer Gruppierung noch in vollem Gang ist, bietet das Buch eine hochaktuelle Momentaufnahme, zu der derzeit keine vergleichbare Publikation vorliegt.
Eckhard Jaschinski

Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 2, S. 54. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]