Gregor Maria Hoff
Die neuen Atheismen
Eine notwendige Provokation
Topos Tb. 671
Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. 2009
181 Seiten, 9,90 Euro
ISBN 978-3- 8367-0671-1
Hoffs Buch ist aus den Vorarbeiten eines Symposions erwachsen, das er zusammen mit seinem Salzburger Kollegen Hans Joachim Sander im November 2006 veranstaltete. In sechs Kapiteln strukturiert Hoff die vielfältigen Formen des neuen Atheismus, wie er uns heute begegnet. Er beginnt mit „Literarische Interventionen – atheistische Abblendungen“ und behandelt die Autoren Paul Auster, Ian McEvan, Philip Roth und Cormac McCarthy. Die sinn-, trost- und erbarmungslosen, absurden Welten – eben gottlose Welten – dieser Romanciers erschrecken.
Schon allein ein Leben aus der Illusion heraus, dass es Gott gäbe, wäre diesen Welten vorzuziehen. Heiner Müllers Wort „Ich glaube an Whisky“ könnte auf der Folie dieser Romane einer handfesten Beförderung dienen, in diesen erträglicheren Zustand zu gelangen. Die unerträgliche Variante der neuen Atheismen wird im nächsten Kapitel „Die szientifischen Atheismen – naturalistische Korrekturen“ durch zum Teil beispiellose intellektuelle Seichtigkeit ihrer Autoren, allen voran Richard Dawkins, abgelöst. Hoff geht darüber hinaus auf Michael Schmidt-Salomon, den Sprecher der Giordano Bruno Stiftung, den Franzosen Pascal Boyer und den Begründer der „Brights“, Daniel Denett, ein. Allen Autoren ist gemeinsam, dass empirische, quantifizierbare Erfahrung die ganze Wirklichkeit ausmacht. Da sich Gott nicht in den Fangzäunen dieser Methodik zeigt, zieht er den Kürzeren: Es gibt ihn so gesehen einfach nicht.
Im Kapitel „Kulturtheoretische Abschiede – philosophische Aporetisierungen“ bleibt das intellektuelle Niveau der zunächst vorgestellten Autoren Sam Harris und Christopher Hitchens weiterhin dürftig, um dann aber mit Peter Sloterdijk intellektuell anspruchsvoll und sprachlich erbaulich zu werden. Ulrich Beck banalisiert Religion. Wie das Selbst in der Postmoderne zur Bastelexistenz gerät, so wird auch Gott zur Bastelei des Menschen – immer weniger zu unterscheiden vom Selbst des Bastelnden. Das Kapitel endet mit klassischen Argumentationsfiguren der „alten Atheisten“ – eingeleitet mit dem inhaltlichen Abriss des Buches von Norbert Hörster „Die Frage nach Gott“ und kulminiert in der Theodizeefrage. Hier zieht Hoff eine erste Bilanz und argumentiert mit dem Erleiden und der Überwindung des Todes durch den Mensch gewordenen Gott als dem einzigen Widerlager gegen das Schweigen Gottes angesichts des Leids der Welt.
Schließlich stellt Hoff die Frage, was denn nun neu an den neuen Atheismen sei, wobei er weniger Dawkins & Co meint als Herbert Schnädelbach, George Steiner, Slavoj Zizek, Giorgio Agamben und Alain Badiou. Es handelt sich hier vielfach weniger um einen Abgesang auf den Theismus als eine Verwertung von produktiven Restbeständen, etwa bei Slavoj Zizek und Giorgio Agamben. Im letzten Kapitel greift Hoff den Faden des vorangegangenen Kapitels auf. Atheismus als Bestreitung Gottes birgt ein „theologisches Ferment“. Anknüpfend an das zweite Vatikanum (GS 19) weist Hoff darauf hin, dass ungelebter Glaube und missratene Vermittlung häufig Ursachen von Atheismus sind. Die neuen Atheisten, insbesondere Vertreter der im letzten Kapitel genannten Formen, legen ihre Finger in diese Wunde. So ist der Atheismus nicht nur eine Kritik des Theismus, sondern wird fruchtbar gemacht für theologisches Denken. Diese Formen des neuen Atheismus werden so zum Marker für innovatives theologisches Denken und eine Herausforderung für die Diskursfähigkeit von letzterem. Neuer Atheismus und innovatives theologisches Denken ringen damit um die Beantwortung aktueller Fragen – letztlich zeitloser Anfragen von Menschen dieser Zeit und aller Zeiten an die condition humaine. Nicht von ungefähr nimmt Hoff einen religious turn auf einer „vermeintlich grundsäkularisierten Moderne“ weiterhin an. Hoff hat alles in allem eine ausgezeichnete Erstinformation für anspruchsvolle Leser im Taschenbuchformat vorgelegt.
Helmut Müller
Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 2, S. 46f. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]