Jakob Johannes Koch
Heiliger Haydn?
Der Begründer der Wiener Klassik und seine Religiosität
Topos Tb. Bd. 694
Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. 2009
238 Seiten, 12,90 Euro
ISBN 978-3-8367-0694-0
Über Wolfgang Amadeus Mozarts Religiosität ist anlässlich der Jubiläumsjahre 1991 und 2006 viel geschrieben worden. Beim anderen großen Wiener Klassiker, Franz Joseph Haydn, kamen die Biografen bislang kaum über diesbezügliche Randbemerkungen hinaus. Diese Lücke wird im vorliegenden Band von Jakob Johannes Koch, katholischer Theologe und ausgebildeter Sänger, derzeit Kulturreferent im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, geschlossen.
Das Fragezeichen hinter dem Haupttitel deutet bereits an, dass es Koch fernliegt, Joseph Haydn als Heiligen zu kanonisieren. Er trägt auch nicht einfach den Ertrag der Haydnbiografien zusammen. Vielmehr liest er auf der Basis einer sorgfältig durchdachten Methodik die Quellen kritisch und kommt so zu einer neuen Sicht der Religiosität des Komponisten. In lockerem Zugang zur Fragestellung, angefangen mit Anekdotischem über die Wirkung von Haydns Person und Musik, geht es ernsthafter weiter mit einer Prüfung von Selbstzeugnissen, und zwar chronologisch dem Lebenslauf folgend. Ähnlich biografisch orientiert beleuchtet Koch das gottesdienstliche Leben in Haydns Umfeld im Spannungsfeld zwischen tridentinischer Formstrenge, volksreligiöser Feierfreude, barocker Pracht und Selbstdarstellung fürstlicher Dienstherren sowie den staatlichen Eingriffen im Zuge der Aufklärung.
Den Hauptteil widmet Koch den infrage kommenden Kompositionen Haydns, unterteilt in die Kategorien liturgische, geistliche und religiöse Musik, das heißt, er spannt den Bogen von Mess-Kompositionen über die Oratorien (Schöpfung) bis zu rein instrumentalen Werken wie den „Sieben letzten Worten unseres Erlösers am Kreuze“, einzelnen Sinfonien oder gar dem „Kaiserlied“ (Deutschlandlied) „Gott erhalte Franz den Kaiser.“ Kochs Schreibstil ist recht gefällig, zuweilen sogar mit spritzigen Formulierungen durchsetzt. Unaufdringlich demonstriert er ein umfangreiches Wissen. Er verzichtet auf Notenbeispiele und vermag doch, ein Stück detailliert und zugleich allgemein verständlich zu analysieren. So kommt er zu folgendem Ergebnis: Im Laufe seines Lebens gelang es Joseph Haydn, spätbarocke schablonenhafte Frömmigkeit zu einer persönlichen, aufgeklärten Spiritualität weiterzuentwickeln. Zum einen blieb er ein einfacher gottgläubiger und kirchlich praktizierender Mensch, zum anderen drang er in tiefere Bereiche des Religiösen vor. Dies wird vor allem in seinem Komponieren deutlich, das zunehmend über vordergründige Tonmalerei hinaus ein im Text vorgegebenes Stimmungsbild herausarbeitet.
Eckhard Jaschinski
Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 2, S. 28. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]