Peter Hofmann
Benedikt XVI.
Einführung in sein theologisches Denken
Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh. 2009
150 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-506-76735-6
Angesichts der Fülle der Darstellungen, die Leben und Schrifttum, Spiritualität und Theologie von Joseph Ratzinger vorstellen, könnte man sich fragen, was ein weiteres Buch über Benedikt XVI. leisten kann. Was es leisten soll – und was dem Autor Peter Hofmann, Theologieprofessor in Augsburg, auf äußerst kundige und ansprechende Weise gelingt –, beschreibt treffend der Untertitel des Buches:
Eine Einführung in das theologische Denken des deutschen Papstes zu geben. Hofmann zeichnet das Bild des Mannes, der in all den Rollen, die er übernommen hat, angesichts der so unterschiedlichen Herausforderungen, denen er sich stellen musste – als Priester, Universitätsprofessor, Konzilsberater im Umfeld von Kardinal Frings, als Bischof, Präfekt der Glaubenskommission und schließlich als Papst – immer auch Theologe geblieben ist. Er stellt Ratzingers Schrifttum vor, kontextualisiert es mit Zeit-, Geistes- und Theologiegeschichte und befragt es auf seine Schwerpunkte und Leitlinien. Dabei räumt er auf mit der berüchtigten Legende von der vermeintlichen „Wende“ Ratzingers: Überzeugend weist er nach, dass und wie bei aller „Ambivalenz der Rollen“ dessen grundlegende Orientierungen sich von der frühen Phase an der Universität bis in seine jüngeren Äußerungen als Papst durchhalten. Thematisch sind dies die Felder von Schrift, Offenbarung und Überlieferung, von Geschichte und Vollendung, von Liturgie und Kirche. Systematisch sind es besonders Ratzingers stete Verortung der Theologie im kirchlichen Glauben, seiner Überlieferungsgeschichte und liturgischen Praxis, der geschichtlich dialogische Zugang zu Offenbarung und Vernunft, die Überzeugung, dass in Christus die Sinnmitte von Schöpfung und Erlösung geschichtliche Person geworden ist, dass Gemeinschaft mit ihm schon jetzt und im Eschaton in der Teilhabe an seinem Leib besteht.
Joseph Ratzinger will als Theologe, als Bischof und Papst vor allem eines sein: „Hermeneut des kirchlichen Glaubens“. Von hier aus werden seine Haltungen zu ganz unterschiedlichen Themen in ihrer sachlichen und methodischen Stringenz transparent: zur historisch-kritischen Exegese, zum Programm der Entmythologisierung, zum Versuch einer erstphilosophischen Begründung der Theologie, zur Debatte um die Unsterblichkeit der Seele und die Auferstehung des Fleisches, zur politischen Theologie und zur Befreiungstheologie, zur Religionstheologie und zur Liturgiereform. Hofmann zeigt: Ratzinger geht es nicht darum, bestimmte theologische Methoden oder Denkweisen pauschal abzuqualifizieren oder vorzuschreiben, sondern darum, dass die Hermeneutik, die eine jeweilige Theologie grundiert (ob ausgesprochen oder unausgesprochen), in der Mitte der Kirche verankert ist, die das geschichtliche Subjekt der Überlieferung Jesu Christi ist.
Die vorliegende theologische Biografie Benedikts XVI. unterscheidet sich wohltuend von der verbreiteten Hermeneutik des Verdachts, mit der dessen Theologie und Papsttum bisweilen bedacht wird. Kundig und konzise, anspruchsvoll und dennoch gut lesbar erläutert Hofmann das theologische Denken Benedikts XVI.: „Verbindlich, nämlich in der Sache entschieden und klar bis zur Provokation, ist der Gedanke, verbindlich aber auch die Art, wie er seinen jeweiligen Adressaten nahegelegt wird“ – in Predigten und Katechesen, Vorträgen und Interviews, theologischen Abhandlungen und lehramtlichen Schreiben. Dass Hofmann die Debatte um die Rücknahme der Exkommunikation der vier traditionalistischen Bischöfe nicht aufgreift, ist dem Erscheinungstermin des Buches geschuldet. Gerade für den deutschen Kontext wäre allerdings eine etwas ausführlichere Darstellung der Diskussion und eine kritische Einordnung der Regensburger Vorlesung sowie des Motu Proprio Summorum Pontificum über den Gebrauch der außerordentlichen Form der römischen Messe wünschenswert gewesen.
Julia Knop
Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 2, S. 16f. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]