Kritische Diskussion des "Performativen Religionsunterrichts"

Buchvorstellung - 05.01.2011

Hans Mendl
Religion erleben
Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht

München: Kösel-Verlag 2008
440 Seiten 22,95 Euro
ISBN 978-3-466-36811-2

Gut 35 Jahre ist es her, seit im Beschluss der Würzburger Synode die prinzipielle Trennung von schulischem Religionsunterricht und Gemeindekatechese grundgelegt wurde. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist nun zu beobachten, dass der Religionspädagoge sich in verstärktem Maße – wenn nicht sogar ausschließlich – mit Jugendlichen konfrontiert sieht, die wenig oder keine außerschulischen Erfahrungen mit Religion machen.

Ein reflexiver Zugang zur Religion im Rückgriff auf gelebte und erlebte Glaubenserfahrungen muss also von vornherein zum Scheitern verdammt sein und kann zur Resignation des Unterrichtenden führen. Gleichwohl ist es unbestritten, dass das Fach Religion gerade in einer agnostisch und oftmals nichtkirchlich geprägten Umwelt Chancen bietet, Zeugnis von einem menschenfreundlichen Gott abzulegen, der in die Geschichte jedes Einzelnen hineinwirkt.

In jüngster Zeit wird als Lösung dieser Spannung in der religionspädagogischen Zunft der methodisch-didaktische Ansatz eines „performativen Religionsunterrichts“ durchaus kontrovers diskutiert. Hans Mendl, Professor für Religionspädagogik an der Universität Passau, geht in seinem umfangreichen Werk der Frage nach, ob ein solcher Ansatz eine zumindest ansatzweise Antwort auf die drängendsten Fragen der oben angesprochenen Problematik bieten kann.

Das vorliegende Buch erhebt in seinem Untertitel den Anspruch, ein Arbeitsbuch zu sein – und dies sei vorweggenommen: Es ist ein Buch, mit dem sich trefflich arbeiten lässt! Der erste Teil ist theoretischer Natur. Mendl zeigt eine große Sachkenntnis der aktuellen theoretischen Diskussion
(z. B. Bildungsstandards oder Kompetenzbereiche) und stellt diese in einen historischen Kontext einer wissenschaftstheoretischen Weiterentwicklung der Didaktik der Korrelation. In klar nachvollziehbarer Sprache positioniert Mendl sich am Ende des ersten Teils innerhalb dieser Diskussion. Es gelingt ihm, den Leser zu einer Reflexion über den eigenen Standort herauszufordern. Im zweiten Teil macht Mendl 20 Praxisfelder aus, innerhalb derer Religion in der Schule erlebbar gemacht werden kann. Er nimmt dabei gleichermaßen die Person des Lehrenden und des Schülers in den Blick, stellt kritische Anfragen nach der Notwendigkeit und dem Mehrwert performativen Religionsunterrichts sowie nach notwendigen Lehrerkompetenzen im jeweiligen Themengebiet. Als gelungen kann die Auflistung weiterführender Literatur am Ende eines jeden Kapitels bezeichnet werden. Die inhaltliche Bandbreite der Praxisfelder reicht von der Kirchenraumerkundung über Musik und Religion bis hin zur „vernetzten Sinnsuche – Glaube und Computer“.

Mendl ist es mit dem vorliegenden Werk gelungen, so etwas wie ein Vademecum für Religionspädagogen des 21. Jahrhunderts zu verfassen. In beeindruckender Weise gelingt es ihm unter Verzicht auf wissenschaftstheoretische Überlastung, den aktuellen Stand der pädagogischen Diskussion zu skizzieren und in Handlungsfelder zu überführen.

Harald Kern

Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 1, S. 42. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]