Einführung in die Religionspädagogik

Buchvorstellung - 21.12.2010

Reinhold Boschki
Einführung in die Religionspädagogik
Reihe: Einführung Theologie

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008
168 Seiten 14,90 Euro
ISBN 978-3-534-19613-5

Braucht ein Religionslehrer Religionspädagogik? Nicht, wenn er allein den jeweils aktuellen Methoden vertraut oder zur ausschließlichen Belehrung seiner Schüler durch die „sacra doctrina“ zurückkehrt. Im einen Fall droht die inhaltsleere Verflachung des Religionsunterrichts, im anderen die Rückkehr zum materialkerygmatischen Instruktivismus – Gefahren, die derzeit schon angesichts des reformerischen Aktivismus sowie des Booms theologischer „Kinderliteratur“ virulent sind.

Wer solche und andere Einseitigkeiten indes verhindern möchte, dem sei die Rückbindung an eine umfassende religiöse Bildungstheorie empfohlen, wie Reinhold Boschki sie in seiner kurzen, aber luziden Einführung in die Religionspädagogik vorlegt. Ohne eine solch reflektierte Rückbindung bleibt religionspädagogisches Handeln diffus und leer, wie der in Bonn lehrende Religionspädagoge zu Recht betont. Keineswegs selbstverständlich adaptiert Boschki also den überkommenen Bildungsbegriff und profiliert ihn zu einem Begriff religiöser Bildung, den er in einem Horizont inhalts- subjekt-, erfahrungs- und beziehungsorientierter Hermeneutik weiter entfaltet. Bildung ist ein unabschließbares, die ganze Persönlichkeit umgreifendes und dialogisches Geschehen, das das Subjekt in der Bestimmung seines Selbst- und Weltverhältnisses selbst realisiert. Soll sie wirklich umfassend sein, so muss sie Religion mit einbeziehen. Umgekehrt ist Religion auf Bildung angewiesen, will sie doch den Lernenden zur mündigen Selbstbestimmung auf dem Weg zur angezielten religiösen Identität befähigen. Dabei ist Religion dem Lernenden nichts Fremdes, Heteronomes. Hier baut der Biesinger-Schüler seine Anthropologie ganz auf der transzendental-theologischen Prämisse von der wesenhaften Gottesbeziehung des Menschen auf. Religiöse Bildung soll den immer schon „gottbegabten“ Menschen (Metz) befähigen, auf Gottes Wort eine Antwort geben zu können, soll ihn in die Lage versetzen, die Christusbeziehung für sich persönlich zu entdecken.

Boschkis Ansatz übersetzt so konsequent das Offenbarungsverständnis des II. Vatikanums in praktische Theologie. Als freie personale Selbsteröffnung verstanden misst dieses kommunikativ-partizipative Verständnis der menschlichen Empfängerseite eine konstitutive Rolle bei. Religionspädagogisch gewendet impliziert dies die Analyse und Reflektion individueller Verstehens- und Aneignungsbedingungen im Wechselspiel mit gesellschaftlichen Kontexten. Religionspädagogik kann schon von daher für den Autor keine reine Anwendungsdisziplin für theologische Erkenntnisse sein – ein bis heute gängiges und mitunter sogar wiederkehrendes Missverständnis! Sie ist Wissenschaft mit eigener Forschungslogik und Erkenntnisproduktion, ist sie doch theologische und pädagogische Wissenschaft zugleich. Folgerichtig referiert Boschki in der für die WBG-Einführungen charakteristischen Kürze neben den biblischen, historischen und systematisch-theologischen Zugängen auch die sozial- und erziehungswissenschaftlichen (d.h. auch religionssoziologischen) Grundlagen, die er beide gleichsam paritätisch in seine übergreifende Theorie religiöser Bildung münden lässt. Die zentrale Leitkategorie hierin aber bleibt „Beziehung“, die, theologisch begründet und umfassend verstanden, nicht nur den Prozess der Vermittlung und Aneignung von Religion prägt, sondern auch sämtliche relevanten Themenfelder religiösen Lernens dimensioniert – geht es doch im Kontext der sich (aus-) bildenden Gottesbeziehung um die Beziehung zu sich selbst, zum Anderen, zur Welt und zur Zeit.

So gibt dieser ökumenisch angelegte, knapp 170 Seiten kurze Band nicht nur eine grundlegende Einführung in religionspädagogisches Denken und Handeln, er vermittelt in präziser und klarer Sprache das Bemühen um einen stringenten und konsistenten Ansatz – schon angesichts der Disparatheit der religionspädagogischen Diskurse bemerkenswert. Auch wenn die Darstellung mancher aktuellen Diskussionsfelder recht knapp ausfällt - so wird der „performative Ansatz“ der Religionsdidaktik lediglich kritisch gestreift - die Darlegung der Lernorte, Lernarten, der Grundprinzipien und Arbeitsweisen der Religionspädagogik pendelt ausgewogen zwischen Überblickswissen und exemplarischen Vertiefungen. Auf diese Weise wird ein Gesamtaufriss präsentiert, der einen fundierten Zugang zur gesamten Disziplin und ihren Praxisfeldern bietet. Die eingearbeitete Literatur spiegelt zumeist den aktuellen Stand der Diskussionen und ermutigt zum vertiefenden und weiterführenden Studium. Boschkis Einführung könnte nicht nur Standard für Studierende im Lehramtsstudium werden, sie könnte auch erfahrenen Religionslehrenden in Schule und Gemeinde helfen, einmal Erlerntes und womöglich Vergessenes aufzufrischen und auf den neuesten Stand zu bringen.

Paul Platzbecker

Quelle: Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 1, S. 39f. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]