Guido Fuchs
Unsere Weihnachtslieder und ihre Geschichte
Freiburg u.a.: Verlag Herder 2009
247 Seiten mit Abb. 12,95 Euro
ISBN 978-9-3-451-32278-5
Im vorliegenden Buch zeichnet der Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs anhand von 25 Weihnachtsliedern die Entwicklung des Verständnisses von Christi Geburt nach. Dies geschieht im Kontext von Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte, wobei auch einzelne Textdichter wie M. Luther, P. Gerhardt, J. D. Falk oder J. Klepper gewürdigt werden.
Bei aller Rücksicht auf allgemeine (nostalgische) Weihnachtsgefühle wird doch eher nahegelegt, den Festinhalt für die heutige Zeit sinnvoll zu erfassen. Mit jedem Lied wird ein bestimmter Aspekt – meist auf biblischer Grundlage – herausgestellt. Ein durchgängiges Stilmittel ist die paradoxe Sprechweise: Der große allmächtige Gott nimmt in einem kleinen hilflosen Geschöpf Gestalt an. Ein weiteres Moment besteht in den Bezügen zwischen Krippe und Kreuz, zwischen einer als armselig geschilderten Geburt Jesu und seines erbärmlichen Hinrichtungstodes, der aber Übergang in das neue Leben und somit Segen für die Menschheit bedeutet. So ist Weihnachten immer mitbestimmt vom Ostergeheimnis (Pascha-Mysterium). Zwar räumt der Autor die Einsicht der Bibelforschung ein: Die Kindheitsgeschichten nach Lukas und Matthäus sind Mythen in theologischem Interesse. Doch wichtiger als die Historie sei, die besondere Zuwendung Gottes zum Menschen im jeweiligen Kontext stets neu zu bedenken und zu beantworten. Neuere Liedtexte betonen daher die sozialethische Tragweite.
Ergänzend sei zweierlei angemerkt: 1. Wie der Autor zu Recht vermerkt, hat Paulus den Christus-Hymnus vorgefunden und in einen ethischen Kontext eingefügt. Neueren Forschungen zufolge dürfte der hier formulierte Gedanke des präexistenten Christus schon in den ersten Jahren nach Jesu Tod in der Gemeinde zu Damaskus entstanden sein, spiegelt also ein Interesse am gottgleichen Wesen und weniger am irdischen Leben Jesu wider. 2. Was die Entstehung des Weihnachtsfestes angeht, so folgt der Autor der verbreiteten Hypothese, nach der man die „Geburt des unbesiegbaren Sonnengottes“ im Rom des frühen 4. Jahrhunderts christlich umgedeutet habe. Andere Forscher hingegen gehen von Berechnungen aus, die zum 25. Dezember führten, oder sehen gar Palästina als Ursprungsgebiet, als man dort die Stationen des Lebens Jesu zu feiern begann. Dort könnte auch das andere Weihnachtsfest am 6. Januar entstanden sein und nicht in Ägypten, wie bisher allgemein – so auch vom Autor – angenommen wurde.
Die Liedtexte sind mit allen Strophen (leider ohne Noten) abgedruckt; so wird deutlich, wie die Streichung von Strophen ein Lied kitschig-sentimental werden lassen kann. 25 Schwarz-Weiß-Bilder illustrieren an geeigneter Stelle die Ausführungen. Der Schreibstil ist von lockerer Art, sodass vielen – auch kirchlich Fernstehenden – ein Zugang zu christlichen Ideen ermöglicht wird, wenn sie schon allgemein an der Kulturgeschichte von Weihnachtsliedern interessiert sind.
Eckhard Jaschinski
Quelle: Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 1, S. 24. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]