Daniel Zahno
Die Geliebte des Gelatiere
Frankfurt am Main: weissbooks 2009
196 Seiten
ISBN 978-3-940888-35-8
Zum Sommer gehört die passende Sommerlektüre. Und eine Sommerlektüre sollte immer ein Liebesroman sein. Wenn dann noch Eis und Italien im Hintergrund als Thema aufleuchten, dann scheint die Idylle perfekt und das Lesevergnügen garantiert zu sein. Daniel Zahnos Roman „Die Geliebte des Gelatiere“ garantiert zwar ein hohes Lesevergnügen, im Blick auf die bei diesen Koordinaten zu erwartenden Idylle wird man jedoch enttäuscht: der Roman schließt mit einem Ende, das nicht gerade „happy“ genannt werden kann.
Aber gerade das macht aus Daniel Zahnos Roman ein kleines Juwel auf dem Büchermarkt, denn der Leser wird am Ende mit einem Protagonisten und einer Situation zurückgelassen, die mehr Fragen als Antworten bereithält und dabei doch – oder vielleicht gerade deswegen? – wie ein Motiv der Romantik daherkommt. Worum geht es? Alvise, der Protagonist des Romans, hat – ganz gegen den Wunsch seines Vaters – von Anfang an nur Speiseeis im Kopf. Diese Leidenschaft teilt er und verbindet ihn mit Noemi, die ihn in die richtige Kunst des Eisgenusses einführt. Doch Noemi geht von einem Tag auf den anderen mit ihren Eltern nach Amerika. Zurück bleibt Alvise, der eine Ausbildung als Gelatiere macht und in Venedig schnell zu einem der angesehensten Speiseeisproduzenten wird. Ausgerechnet durch eine Salmonellen- Erkrankung wird Alvise seinem geliebten Beruf entfremdet und zum Nachdenken gezwungen, was aus seinem Leben geworden ist, vor allem aber, ob er die Frau seines Lebens wirklich gefunden hat. Alsvise beschließt, Noemi in Amerika zu finden, was ihm auch durch eine Reihe von Zufällen und Notwendigkeiten gelingt. Beide machen einen Ausflug zu den Niagara-Fällen, verbringen eine Nacht miteinander, schwelgen in Erinnerungen und genießen noch einmal – wie sollte es anders sein – ein gemeinsames Eis. Am nächsten Tag stürzt sich Noemi während einer Wanderung in den gefährlichen Gebieten des Niagara-Fälle in den Tod, wird in den darauf folgenden Tagen als eine schrecklich zugerichtete Leiche gefunden. Alvise kehrt nach Venedig zurück und führt dort eine wortkarge, mehr oder minder orientierungslose Existenz.
Der Roman schließt mit den Sätzen: „Ich hatte nicht an die Unvergänglichkeit der Fälle geglaubt, auf der anderen Seite, in dem kanadischen Restaurant. Noemi schon. ‚Die Fälle werden immer da sein‘, hatte sie gesagt.“ Die Ewigkeit der Niagara-Fälle und die Ewigkeit einer Liebe, die im Alltag aber nicht gelebt werden kann – diese beiden Motive verbindet Daniel Zahno in diesem Zitat Noemis „Die Fälle werden immer da sein“ miteinander. Der 1963 in Basel geborene Autor hat einen äußerst anrührenden Roman geschrieben, in dem das Motiv der Liebe, die niemals aufhört (1 Kor 13) gelungen perspektiviert und entfaltet wird. Und nicht nur um die Frage der Erfüllbarkeit einer nicht aufhörenden Liebe geht es, sondern auch um die Frage nach Lebensentwürfen, nach sinnstiftenden Entscheidungen und der Erfüllung überhaupt, die man im Leben erreichen kann. So betrachtet ist Zahnos Roman eine Erzählung über die Gebrochenheit menschlicher Existenz und die Unerfüllbarkeit der Sehnsüchte, die allenfalls in kurzen Augenblicken des Glücks zu einer vorläufigen Erfüllung gelangen können. Wie Sternschnuppen – die im Augenblick ihrer Sichtbarkeit schon im vergehenden Fall begriffen sind.
Thomas Meurer (+)
Buchtipp des Monats Juli 2009 bei http://www.theologie-und-literatur.de