Prosa von Thomas Bernhard

Buchvorstellung - 29.09.2010

Thomas Bernhard
Meine Preise
Eine Bilanz. Erstausgabe aus dem Nachlass

Frankfurt am Main: Suhrkamp-Verlag 2009
144 Seiten
ISBN 978-3-518-42055-3

Im Februar des Jahres 2009 kommt man nicht umhin, ein Buch von Thomas Bernhard zum Buch des Monats zu küren und ihm viele Leserinnen und Leser zu wünschen. Am 12. Februar jährt sich zum zwanzigsten Mal der Todestag dieses epochemachenden österreichischen Schriftstellers. Unendlich die Flut der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die sich mit Thomas Bernhard und seinem Werk beschäftigen.
 

Selbst auf der Internet-Plattform „you tube“ finden sich eine Unzahl kleiner Filme und Interviewmitschnitte dieses grandiosen Autors. Thomas Bernhard hat, wie sein Freund und Weggefährte Wieland Schmied einmal gesagt hat, einen „neuen Ton“ in die Literatur gebracht, eine neue Sprache, eine neue Art des Erzählens. Und wenn man das alles hervorgehoben hat, dann bleiben noch seine erzählten Figuren: diese eigentümlichen und wundersamen Käuze, diese „Geistesmenschen“, die sich aus der Welt zurückziehen, in die Welt der Literatur, Musik und Kunst mit einem verächtlichen Augenaufschlag gegenüber all den und all dem Gewöhnlichen fliehen und zugleich doch mit gierigem Blick auf das Leben der Anderen schielen.

Thomas Bernhard war Zeit seines Lebens ein großer Selbstinszenator, ein zwischen Tragödie und Komödie schwankender Dramaturg seiner selbst. Auch sein kurz vor seinem Tod noch notariell festgehaltener Wunsch, dass nach seinem Tod in Österreich keine Zeile seines Werkes mehr veröffentlicht werden dürfe, stellte eine ähnliche Inszenierung dar, wie die Umstände seines schnellen Begräbnisses in einer eigentlich fremden Gruft der seit seinen Tagen in der Lungenheilanstalt engen Vertrauten, im Grab der „Tante“, oder seines „Lebens-menschen“, wie er sagte, Hedwig Stavianicek. Es passt zu Thomas Bernhard, dass – auch wenn er das nicht intendiert hat – nun zwanzig Jahre nach seinem Tod eine Prosaarbeit aus dem Nachlass erscheint, in denen sich der österreichische Skandalautor über seine zahlreichen Preise amüsiert und schonungslos die Banalität der Laudatoren und Vergabemechanismen enttarnt. Zugleich schlägt Bernhard Töne an, die man von seinen zynischen Arbeiten sonst gar nicht gewohnt ist. Mein Buchhändler sagte in den letzten Tagen augenzwinkernd zu mir, er hätte den neuen Bernhard handsigniert für mich zurückgelegt.

Tatsächlich, es ist so, als wäre Thomas Bernhard gar nicht tot, als habe er seinen Stil weiterentwickelt und schreibe wetterfühlig wie eh und je, wenn nicht sogar poetischer weiter. Und dass das Thema der Preisvergabe in einer Zeit, die ungeheuer findig geworden ist, neue Preise und Zertifikate auszuloben, aktueller ist denn je, das hätte sich vermutlich weder der Autor noch sein ebenfalls längst verstorbener Verleger Siegfried Unseld jemals träumen lassen. – Sollte es tatsächlich jemanden geben, der noch niemals etwas von Thomas Bernhard gelesen hat: „Meine Preise“ sind eine äußerst gelungene „Einstiegsdroge“.

Thomas Meurer (+)
Buchtipp des Monats Februar 2009 bei http://www.theologie-und-literatur.de