Paulus

Buchvorstellung - 31.12.2009

Anneliese Hecht (Hg.)
Paulus und die Frauen

Stuttgart: Katholisches Bibelwerk e.V. 2008
124 Seiten, € 12,80
ISBN 978-3-940743-79-4

Der Band gliedert sich in vier Teile. In Teil 1 „Frauen in Beziehung zu Paulus“ geht es um „Gemeindeverantwortliche, Missionarinnen, Kolleginnen“ (Hermann-Josef Venetz), „Betende und prophetisch redende Frauen im Gottesdienst zu Korinth“ (Marlis Gielen) und um die „Verdrängung von Frauen aus der Leitung und Verantwortung in der frühen Kirche“ (Max Küchler)

Teil 2 beschäftigt sich mit der Frauenforschung zu Paulus und seiner Theologie. Luzia Sutter Rehmann bietet einen „kleinen Einblick in die Frauenforschung“, während Sabine Bieberstein „neue Einsichten aus der Frauenforschung zum Konzept eines ‚gesetzesfreien Heidenchristentums‘“ vorstellt. Elsa Tamez widmet sich der paulinischen Rechtfertigungstheologie, die „für heutige Lebenszusammen¬hänge neu“ gelesen werden soll und Ruth Lindner beleuchtet den „sozial¬geschichtlichen Hintergrund in der Zeit des Paulus“.

Teil 3 und 4 stellen Bibelarbeiten mit entsprechenden Arbeitseinheiten und ihre jeweiligen Arbeitsblätter vor (Anneliese Hecht). Die Beiträge erinnern an die Apostolin Junia, die zwar in der Grußliste am Ende des Römerbriefes (16,7) angeführt wird, aber in den Übersetzungen zu einem „Junias“, einem Apostel geworden war (12f, 33f). Dass es sich bei der „berühmt-berüchtigten“ Anordnung des Paulus, die Frau solle in der Gemeindeersammlung schweigen (1 Kor 14,34a), um eine nachpaulinische Interpolation handelt, stellt Marlis Gielen überzeugend heraus (24). Denn da Paulus den Frauen eine aktive Verantwortung für Gemeinde und Mission zuspricht (vgl. 1 Kor 11,4f.13; Röm 16), dürfte es sich bei dem dazu in einem eklatanten Widerspruch stehenden Schweigegebot um eine spätere Einfügung unter dem Einfluss der Pastoralbriefe handeln mit dem Ziel, Frauen aus gemeindlichen Funktionen zurückzudrängen.

Die Paulus-Auslegung war über lange Zeit von der judenfeindlichen Gegenüberstellung eines „werkgerechten“ Judentums, das sich angeblich das Heil durch die Befolgung der Gesetze selbst zu verdienen trachtete, und dem „gesetzesfreien“ Heidenchristentum, das die Rechtfertigung Gottes allein aufgrund des Glaubens betont, bestimmt. Dass dieses problematische Modell auch frauenfeindliche Züge trägt, stellt Sabine Bieberstein unter Hinweis auf Luise Schottroff heraus (42): „Das Modell ist androzentrisch, weil es die Frage der Beschneidung ins Zentrum stellt und an der Annahme oder Ablehnung der Beschneidung die Annahme oder Ablehnung der gesamten Tora festmacht und das Jude- oder Christsein an diese Frage bindet […] Das Modell [ignoriert] die Lebenswirklichkeit von Frauen und wird auch der Tatsache nicht gerecht, dass die Gemeinden des Messias Jesus von Anfang an von jüdischen und nichtjüdischen Frauen und Frauengruppen gestaltet und getragen wurden. Dieser männerzentrierte Blick erweist sich als frauenfeindlich, weil dadurch Frauen aus dem Bild des frühen Christentums verdrängt wurden und dieses einseitige Geschichtsbild zum Instrument der Frauenunterdrückung wurde.“

Die Beiträge bieten nicht nur einen guten Einblick in die Frauenforschung zu Paulus, sondern sind auch überaus informativ. Die Bibelarbeiten und die entsprechenden Arbeitsblätter zu den Arbeitseinheiten geben reichlich Anregungen und Material an die Hand für die gemeindliche, aber auch schulische Bildungsarbeit. Im Paulusjahr ist die Lektüre dieses Bandes zu Paulus und den Frauen deshalb sehr zu empfehlen.

Matthias Blum

Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 1/2009