Peter Zürn (Hg.)
Erinnern und erzählen
Das Markusevangelium in- und auswendig lernen (WerkstattBibel 12)
Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk 2008
96 Seiten, € 12,80
ISBN 978-3-460-08512-1
Wie die anderen Bände der Reihe ‚WerkstattBibel‘ bietet auch Band 12 vor den Arbeitsvorschlägen eine doppelte Einführung, die zunächst den Text (das Markusevangelium als Ganzes), danach die Methode verortet und kurz erläutert.
I Bibeltheologische Einführung Die Bibeltheologische Einführung (9-24) bietet bei aller Knappheit doch Einblick in für das Textverständnis zentrale Aspekte. So wird etwa der Ort-gebundene Aufbau des Evangeliums vorgestellt und gedeutet. Der Zeithistorische Hintergrund des Jüdischen Krieges und dessen Auswirkungen auf die Theologie werden aufgezeigt und brennend aktuell mit unserer Zeit, der Zeit nach Auschwitz, in Verbindung gebracht. Die Einführung spannt immer wieder den (theologischen) Bogen von der literarischen Eigenheit des Textes über den Zeithorizont des ersten Jahrhunderts n. Chr. bis zur Gegenwart der heutigen Leserinnen und Leser. Indem das Markusevangelium als eine Schrift der Compassion gedeutet wird, erhält das angestrebte Auswendiglernen und Erzählen eine politische Dynamik. „Das Markusevangelium ist ein Versuch neu zu lernen, was Auferstehung bedeuten kann. Ein Weg, der sich der Memoria passionis, der Erinnerung an die Opfer und ihr unermessliches Leid, verpflichtet weiß“ (21) Besonderer Wert wird dabei auf die Erfahrung gelegt, dass manches erst im Nachhinein sinn-voll erscheint. Nach dem zunächst hoffnungslos düster scheinenden Schluss des Evangeliums, soll noch einmal neu mit Lesen begonnen werden. In der Beschreibung dieser ‚zweiten Leseweise‘ (22-24) ist allerdings die Knappheit der Ausführungen schmerzlich. Wenn Verbindungen der Evangelienstruktur mit derjenigen der Tora aufgezeigt werden und Jesus mit dem Gottesknecht in Beziehung gebracht wird, bleiben das schlaglichtartige Gedanken, zu deren Verständnis einiges an Bibelgewandtheit vorausgesetzt ist.
II Methodische Einführung Die methodische Einführung (25-36) charakterisiert die gewählte Vertiefungsmethode als Vermittlerin zum immer schon vorliegenden Schatz der Sprache. Auswendiglernen heißt, sich eine Sprache anzueignen und kann so die Verbindung zu alten Traditionen schaffen. Dabei wird an die jüdische und die monastische Tradition des Lernens angeknüpft. Auch im Markusevangelium selber habe Einprägung durch (viermalige) Wiederholung einen eigenen Platz: „Die Jüngerinnen und Jünger hören den Lernstoff der Leidensankündigung dreimal, die vierte Wiederholung soll sich im Leben der Leserinnen und Leser des Evangeliums ereignen.“ (29) Die vorgeschlagenen Arbeitseinheiten wollen dieser auch heute zu vollziehenden vierten Wiederholung Raum und Zeit öffnen. Schade, dass in der Verortung der Methode der Hinweis auf die biblische Verankerung der Tradition von ‚Erinnern und Erzählen‘ fehlt, die neben dem Aufruf zum Lernen und Weitererzählen auch mnemotechnische Hinweise kennt (siehe z.B. Dtn 6,6-9). Als Hilfestellung für das Auswendiglernen folgt eine Präsentation der sog. ‚Loci-Methode‘, bei der Erinnerungen mit Orten verbunden werden. Im Umgang mit den Bibeltexten soll aber nicht beim Auswendiglernen stehen geblieben werden. Die Vertiefungsvorschläge sollen auch anleiten, das Erinnerte weiter zu erzählen, was „im religiösen Kontext heißt Glaubenserfahrungen auszutauschen.“ (35) Es gibt im Einführungsteil einige unschöne Doppelungen (so z.B. das Zitat in Anm. 2 und 28; der doppelte Verweis auf die Wendung ‚apprendre par coeur‘/‘learning by heart‘; der Hinweis auf Maria in Lk 2,19 auf S. 7.11.26), die aufgrund der sonst herrschenden Kürze besonders auffallen. Die beiden Einleitungen rüsten die Lesenden aber dennoch mit dem notwendigen Proviant für die anstehende Reise durchs Markusevangelium.
III Bibelarbeiten Die Reise führt zu sieben Texten, die in der Reihenfolge ihres Auftretens im Evangelium bearbeitet werden. Dabei kommen insbesondere auch ‚schwierige‘ Texte zum Zug und finden hier einen behutsamen, nicht beschönigenden Umgang. Jede Perikope wird unter einem bestimmten Themenaspekt betrachtet: Mk 1,1-15 bedenkt das Evangelium als Heilsbotschaft; Mk 2,23-28 dreht sich um die Sabbat- resp. Sonntagsruhe; Mk 7,24-30 thematisiert ‚Brot‘; Mk 11,12-22 und Mk 12,1-9a sprechen von der Gewalt Jesu und derjenigen der Menschen; Mk 14,1-9 geht dem Zusammenhang zwischen Duft und Erinnerung nach, Mk 16,1-8 will den Kreis zum Anfang des Evangeliums schließen. Die Textzugänge sind vielfältig und wirken nicht aufgesetzt, sondern sind dem Textverständnis dienlich. Nicht immer wird dabei die Bibelstelle auswendig gelernt, sondern auch mal die in der Auseinandersetzung mit ihm entstandenen Gedanken (so bei Bibelarbeit 4 [Mk 11,12-22] ein selbst gedichtetes Elfchen). Die meisten Arbeitseinheiten sind gut rhythmisiert. Allgemein recht viel Raum nimmt der Austausch über das persönliche Ergehen während der Bearbeitung ein, zu dessen Durchführung jedoch kaum konkrete Vorschläge gemacht werden. Neben den kurz erläuterten Arbeitsschritten werden zu jeder Perikope auch einige Hintergrundinformationen gegeben. Angesichts der Kürze dieser Hinweise wären da und dort ausführlichere Literaturangaben wünschenswert (zu Mk 11,12-22 z.B. findet sich eine einzige Angabe). Die Einheiten sind unterschiedlich anspruchsvoll. Während Bibelarbeit 2 (Mk 1,23-28) einiges an Bibelwissen voraussetzt, fordern die Einheiten 4 und 5 zur Gewalt vor allem thematisch heraus. Insgesamt bietet dieser kleine Band einen Fundus an direkt umsetzbaren Ideen, die alle in Struktur, Inhalt und Methode nachvollziehbar sind. Allein die Bibelarbeit 7 (Mk 16,1-8) fällt etwas ab. Hier fehlt der rote Faden sowohl bei den Arbeitsschritten als auch inhaltlich. Der Rückverweis an den Anfang des Evangeliums und somit an den Anfang der Bibelarbeiten hätte deutlicher betont werden können, ebenso der dadurch geforderte Einbezug der Lesenden. Dies ist um so bedauerlicher, da in der Bibeltheologischen Einführung diese ‚zweite Leseweise‘ als sinngebend betont wird.
Nichtsdestotrotz ist der vorliegende Band 12 der WerkstattBibel sehr zu empfehlen. Er bietet wertvolle Impulse in verständlicher (und durchgehend geschlechtergerechter) Sprache und schafft größtenteils den Spagat zwischen Lesbarkeit und sachlicher Information, zwischen einfacher Umsetzbarkeit und Tiefgang.
Moni Egger
Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 6/2009