Israel Finkelstein/ Neil A. Silberman
David und Salomo
Archäologen entschlüsseln einen Mythos
München: C.H. Beck 2006
298 Seiten, € 24,90
ISBN 978-3-406-54676-1
Die beiden Autoren hatten bereits vor drei Jahren auch im deutschsprachigen Raum einen Riesenerfolg mit ihrem ersten gemeinsamen Werk „Keine Posaunen vor Jericho“(5 Auflagen in 6 Jahren). Dank ihres einmal mehr äußerst ansprechend, verständlichen und spannenden Schreibstils, sowie dem ähnlich interessanten Thema verspricht auch ihr neues Buch ein Verkaufshit zu werden.
Trotz der manchmal kritischen Sicht der Bibelwissenschaft ist dieser Erfolg verdient und selbst von den getadelten „Bibelwissenschaftlern“ zu würdigen bzw. positiv zu bewerten, denn beide Autoren untermauern ihre Ausführungen mit gründlicher archäologischer Forschungsarbeit, Recherchen und ausführlichen Analysen. Die beiden Könige David und Saul, das von ihnen regierte geeinte Königsreich von Israel und Juda, sowie dessen Hauptstadt Jerusalem werden genau unter die Lupe genommen. Dabei können Finkelstein und Silberman zeigen bzw. durch die Analyse ihrer archäologischen Forschung mit starken Argumenten und Beweisen untermauern, dass beide Könige – falls sie jemals existiert haben (was allerdings von Finkelstein und Silberman nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird) – im gesamten Kontext des Alten Orients mit Sicherheit keine große Rolle gespielt haben und dass die Archäologie eine vorherrschende Position Jerusalems im 10 Jh. v. Chr. auf keinen Fall rechtfertigen lässt.
Somit wird auch das im Alten Testament beschriebene Einheitsreich unter David und seinem Sohn Salomo radikal in Frage gestellt und auf die Ebene eines Gründungsmythos reduziert. Die biblische Darstellung dürfte eine Rückprojektion einer späteren Zeit gewesen sein – wahrscheinlich aus der Zeit, da die Omriden-Dynastie über Israel und Juda herrschte – , die durchaus offensichtlich das Ziel haben wird, eine ideale Vision der Vergangenheit zu konstruieren mit Jerusalem als politischen, sozialen und vor allem religiösen Zentrum. Die archäologische Forschung – und hier übernehmen Finkelstein und Silberman Ergebnisse, die auch viele „Bibelwissenschaftler“ nicht nur anerkennen, sondern durch ihre Textforschung in Dialog mit der Archäologie durchaus bestätigen – beweist jedoch eindeutig, dass Jerusalem erst im 8. Jh. v. Chr., nach dem Untergang des Nordreiches, zu einer richtigen und wichtigen Stadt mit Steinpalästen, imposanten Stadtmauern und einem ausgebreiteten Straßennetz heranwuchs.
Die Relektüre und die fast mythische Aufarbeitung von älteren Traditionen diente dazu, der sich entwickelnden Gesellschaft des beginnenden 7. Jh. v. Chr. in Palästina eine gemeinsame Identität zu geben. So werden Salomo Züge und Aktionen zugesprochen – Handelswege, Tempelbau, Neuorganisierung eines Verwaltungsapparates – die genau genommen im 7. Jh. v. Chr. von Relevanz waren und sich in einer sehr ähnlichen Art und Weise während der Regierungszeit von Manasse abgespielt haben. Die Davidisierung dieser Ereignisse geschieht in exilischer Zeit, wo die „goldene Zeit“ eines vereinten Königtums Juda/Israel mit deutlichen eschatologischen Zügen versehen wird.
Finkelstein und Silberman bieten dem Fachpublikum mit ihrem Werk kaum neue Erkenntnisse. Was ihnen allerdings in einer genialen Art und Weise gelingt, ist die Darstellung und die Präsentation wissenschaftlicher Forschung, so dass diese jedem – nicht nur dem Fachmann – zugänglich wird. Wenn gleich also die archäologischen Daten bereits bekannt waren, sind die spannende Synthese, die hervorragende Zusammenstellung und die gelungene Verknüpfung von Archäologie, Exegese, Hermeneutik, Geschichte und Theologie nichtsdestotrotz als großes Verdienst der beiden Autoren zu würdigen. Das Buch liest sich wie ein Roman und vermag trotzdem wichtige und hochwissenschaftliche Inhalte mit Genauigkeit und fundierten Argumenten zu vermitteln. Empfehlenswert.
Simone Paganini
Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 2/2009