Diskussion um das Jesus-Buch von Benedikt XVI.

Buchvorstellung - 24.12.2009

Häring, Hermann (Hg.)
„Jesus von Nazareth“ in der wissenschaftlichen Diskussion (Wissenschaftliche Paperbacks, 30)

Münster: LIT Verlag 2008
366 Seiten, € 34,90
ISBN 978-3-8258-0823-5

Über das im Jahr 2007 erschienene Jesus-Buch von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. sind schon viele Rezensionen verfasst und mehrere Publikationen gesammelter Diskussionsbeiträge herausgegeben worden. Auch der LIT-Verlag hat bereits einen ersten Band gesammelter Stellungnahmen veröffentlicht. Dass sich der Verlag zusammen mit dem Herausgeber entschlossen hat, einen weiteren Diskussionsband zu erstellen, hat nichts mit der künstlichen Verlängerung einer Debatte zu tun (2), sondern trägt der Einschätzung Rechnung, dass „das Buch von J. Ratzinger zu wichtig ist, als dass man einfach zur Tagesordnung übergehen könnte“

(ebd.). Auch ist beabsichtigt, über manche bisher vorliegende Stellungnahmen hinaus „eine erste tiefergehende und wissenschaftlich verantwortete Bilanz zu ziehen“ (1) und die „aufgeworfenen Fragen nachdrücklich in theologische, pastorale und kulturelle Gesamtzusammenhänge“ einzuordnen (2).

Die 23 Beiträge sind fünf Themenfeldern zugeordnet. Das erste Themenfeld ist der Frage gewidmet: „Wer war Jesus?“ (5-70). Es enthält die Beiträge von Michael Theobald, Roman A. Siebenrock und Frank Meier-Hamidi. Das zweite Kapitel wendet sich dem hermeneutischen Problem zu: „Wie die Schrift interpretieren?“ (71-122). Hier werden Stellungnahmen von Thomas Staubli, Rudolf Hoppe, Pierre-Marie Beaude und François Nault dargeboten. Im dritten Kapitel ist das Verhältnis von „Jesusbericht und Glaubenslehre“ akzentuiert (123-208). Es enthält Ausführungen von Paul Weß, Ralf Miggelbrink, Joachim Kügler, Johann Pock und Hermann Häring. Im vierten Themenfeld mit dem Titel: „Botschaft für heute?“ sind die Ausführungen von Carl-Friedrich Geyer, Ottmar Fuchs, Ruth Fehling, Horst Jürgen Helle, Clemens Sedmak und Bernd Ogan zusammengefasst. Im fünften Kapitel kommen „Stimmen der Anderen“ zu Wort (307-347). Hier werden Probleme des Dialogs mit dem Judentum in Joseph Ratzingers Buch von Karl-Josef Kuschel und Günther B. Ginzel thematisiert, desgleichen Dialogprobleme mit dem Islam von Detlef Schneider-Stengel. Erico João Hammes bringt Gesichtspunkte aus der südamerikanischen Theologie ein und richtet den Blick auf den „unerkannten“ Jesus, nämlich den armen Jesus und den Jesus der Armen. Mit einem Offenen Brief des Dominikanerpaters Jos Smeets „an Benedikt XVI.“ schließt das Buch.

Alle Beiträge sind lesens- und bedenkenswert. Sie sind in fairem Stil und sachorientiert geschrieben. Ohne auf inhaltliche Details eingehen zu können, seien doch wenigstens einige angemerkt. In fast allen Beiträgen wird ausdrücklich hervorgehoben, wie sehr man es begrüßt, dass der Autor selbst zur Diskussion über das Werk eingeladen hat. Ebenso wird durchgehend anerkannt, dass es Joseph Ratzinger in hohem Maße gelungen ist, seinem persönlichen Christusglauben authentischen Ausdruck zu verleihen, so dass nicht nur in theologischer sondern auch in sprachlich-ästhetischer Hinsicht ein beeindruckendes Christusbild entstanden ist. Aber damit beginnen zugleich die Probleme. In kritischer Würdigung wird in mehreren Beiträgen zu bedenken gegeben, dass das vorgestellte Jesusbild und die Glaubensbeziehung zu ihm leider nicht genügend der Vielfalt und Mehrdimensionalität der neutestamentlichen Zeugnisse entsprechen. Auch bleiben leider die geschichtlichen Prozesse ausgeblendet, die zur Ausprägung der neutestamentlichen Christologien und den in den Texten sich spiegelnden unterschiedlichen Formen des Christusglaubens geführt haben. Es wird begründeterweise bemängelt, dass die vorgestellte Christus-Ikone zu unbedacht mit dem irdischen Jesus gleichgesetzt wird. Auf Grund dieser Problemwahrnehmung wird in manchen Beiträgen zu Recht darauf aufmerksam gemacht, wie dringend notwendig es ist, das Verhältnis von Exegese und systematischer Theologie noch besser als bisher zu klären. Der Band ist allen zu empfehlen, die Lebensorientierung an Jesus suchen oder an einer vertiefenden Lektüre des Jesus-Buches von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. interessiert sind.

Alfons Weiser

Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 6/2009