Beatrix Moos
Die Bibel für Kinder entdeckt
Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk 2008
95 Seiten, € 14,90
ISBN 978-3-460-32604-0
Das Buch will, so heißt es im Klappentext, „… die Entstehung, Verbreitung und Bedeutung der Bibel“ erklären. Damit ist ein ehrgeiziges Ziel angegeben. B.M. will Kindern die Bibel näher bringen und dabei mit Hilfe von Erkenntissen historisch-kritischer Exegese zu deren Verständnis anleiten.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert, deren erster allgemeine Hintergrundinformationen zur Bibel liefert (6-23); der zweite Teil behandelt das Alte Testament und seine Bücher (24-59); der dritte stellt einige Feste Israels vor (60-64) und der vierte Teil ist dem Neuen Testament gewidmet (65-95).
Im Einleitungsteil wird die Bibel als besonderes Buch vorgestellt, es geht dabei um die Verbreitung und Relevanz der Bibel, um hermeneutische Fragen (Leseerwartung, die Bibel ist kein Tatsachenbericht, Zusammengehörigkeit der beiden Teile Altes und Neues Testament) und um die Entstehungsgeschichte der Bibel als Sammlung von Texten. Bei dieser Gelegenheit wird die Entstehung der Schrift genauso angesprochen wie die Technik des Schreibens auf Stein, Papyrus oder Pergament. Ein eigenes Unterkapitel widmet sich den drei biblischen Sprachen Hebräisch, Aramäisch und Griechisch. Schließlich erwähnt ein ganz kurzer Abschnitt dieSchwierigkeit der Übersetzung und regt zu einem Übersetzungsvergleich an. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Anleitung zum Auffinden von Bibelstellen.
Zum Alten Testament gibt es eine ganz kurze Einleitung. Es wird betont, dass ‚Alt‘ nichts mit veraltet zu tun hat und dass das Alte Testament für Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger die Heilige Schrift war. Es folgt ein Überblick über die verschiedenen Bücher, dass es dabei konfessionelle Unterschiede gibt, wird kurz erwähnt. Im Hauptteil dieses Kapitels stehen die Präsentationen der alttestamentlichen Bücher, die in folgende Gruppen zusammengefasst sind: die Tora (Pentateuch); die Bücher der Geschichte, die Psalmen – das Leben vor Gott zur Sprache bringen; die Bücher der Weisheit – Lebenshilfen; Propheten – Rufer gegen den Trend. Am ausführlichsten werden dabei die Bücher Genesis und Exodus behandelt (sechs und fünf Seiten). Dabei gelingt es B.M. insbesondere zur Genesis, in aller Knappheit etwas vom Wesen dieser Geschichten fühlbar zu machen. Unter anderem finden sich zu den einzelnen Perikopen der Urgeschichte sehr kurze Inhaltsangaben mit Leitfragen, die für das Leseverständnis hilfreich und anregend sind. Alle weisheitlichen Bücher zusammen erhalten gerade mal zwei Seiten und auch die Propheten müssen mit diesem Raum auskommen. Bei den Propheten ist der knappe Platz aber sehr sinnvoll genutzt, indem in aller Kürze einige wichtige Gemeinsamkeiten und Themen aufgeführt werden. Ein Vergleich zu heutigen Prophetinnen und Propheten hilft, sich das Phänomen Prophetie vorzustellen.
Im Kapitel zu den Festen Israels werden als Hauptfeste Pessach, Schawuot und Sukkot vorgestellt, außerdem finden das Neujahrsfest, der Jom Kippur, Chanukka und Purim Erwähnung. Es geht dabei um den (biblisch verankerten) Anlass der Feste und ihre heutige Form. Das Kapitel soll wohl auf die Nähe der christlichen und jüdischen Feste hinweisen, so werden z.B. im Zuge des Pessachmahles auch das letzte Abendmahl und die daraus hervorgehende Ostertradition erwähnt oder anschließend an die sehr kurze Erklärung zu Schawuot wird eine ebenso kurze zu Pfingsten gegeben. Im Ganzen bleibt aber uneinsichtig, warum dieses Kapitel in einem Buch über die Bibel steht. Die Erklärungen sind zu kurz um den Bezug zur Bibel wirklich leisten zu können und die Hinweise auf das Christentum sind eher verwirrend als klärend. Die vier Seiten hätten gewinnbringender für die etwas vertiefte Präsentation etwa der Prophetie oder der Psalmen verwendet werden können.
Eine längere Einleitung führt die Lesenden in die Entstehung des Neuen Testaments ein und bringt einige Informationen zum geographischen, geschichtlichen und religiösen Hintergrund. Bei den Büchern des Neuen Testaments liegt der Schwerpunkt erwartungsgemäß bei den Evangelien. Sie erhalten zusammen eine eigene Einleitung, die mehrmals deutlich erwähnt, dass die Evangelisten unbekannt sind und dass sie Jesus nicht persönlich gekannt haben. „Evangelien sind keine historischen Informationen oder Lebensbeschreibungen, sondern Glaubenserfahrungen, die auch andere zum Glauben an Jesus Christus ermutigen wollen.“ Einige thematische Gemeinsamkeiten der vier Evangelien werden gut verständlich aufgelistet und dabei auch der Zusammenhang der Synoptischen Evangelien erklärt. Die Unterschiede zeigen sich in den darauf folgenden ganz kurzen Präsentationen, die jeweils Verfasser und Adressatenkreis sowie Entstehungszeit und wichtigste theologische Inhalte aufführen. Es folgt je eine Seite mit Erläuterungen zum Thema Gleichnisse und Wunder, bei letzterem ist eine schrittweise Auslegung zu Mk 3,1-6 angefügt. Schließlich werden in einfachen Argumenten die Weihnachtsgeschichten bei Mt und Lk als theologische ‚Vorworte zum Evangelium‘ vorgestellt. Hier ist es B.M. besonders gut gelungen, die komplexen Sachverhalte auf kleinem Raum gut nachvollziehbar zu erklären. Für die weiteren Teile des NT bleibt nicht mehr sehr viel Raum. Die allgemeinen Ausführungen zur Apostelgeschichte sind recht schwierig und setzen mit ihrer Rede von Juden, Nichtjuden und Heiden, vom Märtyrer Stefanus und der in einem Satz erwähnten Bekehrung des Saulus viel Wissen schon voraus. Verständlicher ist der Abschnitt über die Missionsreisen des Paulus. Insbesondere die große Karte mit denverschiedenen Stationen der Reise bietet einen guten Überblick. Die angefügten Bilder machen neugierig, welche Geschichte sich dahinter verbergen und laden somit ein, die zu jeder Station angegebene Bibelstelle nachzulesen. Die Briefe werden als wichtigstes Kommunikationsmittel eingeführt. Ein paar Stichworte sollen die paulinische Theologie zusammenfassen. Eine Spalte erwähnt die deuteropaulinischen Briefe. Über die ‚Offenbarung des Johannes – ein Traumbild der Zukunft‘ finden sich nur ganz kurze Erläuterungen.
Ein großer Pluspunkt des Buches ist seine ansprechende und übersichtliche Gestaltung. Die vielen farbigen Bilder und die Karten sind informativ und wirken einladend, die bunten Titel helfen bei der Orientierung im Buch. Auch die Wahl der Titel trägt zum Lesevergnügen bei, indem sie wichtige Aspekte jeweils schon erwähnen. Lobenswert sind außerdem die vielen Lesevorschläge, die, verbunden mit einem Hinweis auf das zu Erwartende, zum eigenhändigen Aufschlagen der ‚Erwachsenenbibel‘ einladen. Wenn B.M. die Bedeutung des Exils für das Verständnis des Richterbuches erklärt (46-47) oder wenn sie den Dekalog in eine heute verständliche Sprache überträgt (38), beweist sie ihre Fähigkeit, mit einfachen Worten schwierige Themen zugänglich zu machen. Mehrmals wird betont, dass es der Bibel nicht um historische Tatsachen geht (z.B. 10). Dennoch finden sich immer wieder Einschübe, die die Wichtigkeit einer solchen implizieren (z.B. die Identifikation des Horeb mit dem Dschebel Musa, S. 37). Immer wieder wird außerdem nicht sauber getrennt zwischen dem, was die Bibel überliefert und den von B.M. erklärend hinzugefügten historischen Hintergründen (z.B. 36; 44). Manches Thema oder gar Buch wird nur mit einem oder zwei Sätzen angeschnitten. Dahinter mag ein Wunsch nach Vollständigkeit stehen, der mir aber für das Verstehen eher hinderlich scheint. So tragen z.B. die in der Bibel ja nicht erwähnten Zeloten und Essener wenig zum Verständnis der sich im NT spiegelnden religiösen Gruppen bei (72). Kritisch ist anzumerken, dass die Sprache über weite Strecken rein männlich ist und auch auf den ausgewählten Bildern männliche Figuren weitaus überwiegen. Schließlich bleibt unklar, welche Altersstufe B.M. mit ihrem Buch ansprechen will. Auf den ersten Blick lässt die Schriftgröße an jüngere Kinder im ersten Sachlesealter denken. In diese Richtung weisen auch die immer wieder mal eingestreuten direkten Anreden, z.B. „In den Kinderbibeln findest du nur einzelne ausgewählte Texte aus der Gesamtbibel, die so erzählt werden, dass du sie besser verstehen kannst.“ (22). Sprache (viele Aufzählungen, oft lange, mehrgliedrige Sätze) und Inhalt legen aber ein deutlich älteres Publikum nahe, für welches dann die erwähnten Anreden wohl eher anbiedernd denn einladend wirken werden. Im Vorwort erwähnt B.M., dass die Wanderung durch die Bibel am besten in Begleitung angegangen wird. Dieser Einschätzung möchte ich zustimmen. Bei einer gemeinsamen Erkundung der Bibel kann dieses Buch eine wertvolle Hilfe sein und sei darum trotz der erwähnten Vorbehalte empfohlen. Es bringt grundlegende Erkenntnisse der historisch-kritischen Forschung kindergerecht zur Sprache und leitet behutsam zu einem theologischen Verständnis der biblischen Texte.
Moni Egger
Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V., Biblische Bücherschau 7/2009