Einführung in die biblischen Schriften

Buchvorstellung - 21.12.2009

Norbert Scholl
Die Bibel verstehen

Darmstadt: Primusverlag 2004
294 Seiten, € 14,90
ISBN 978-3-89678-512-1

Norbert Scholl, ehem. Prof. für röm.-kath. Theologie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, hat mit seinem Buch „Die Bibel verstehen“ eine Einführung in die Bibel vorgelegt, die allgemein verständlich „einen kleinen Einblick in das Bemühen der Bibelwissenschaftler vermitteln“ (10) will. Gleich vorneweg: Es ist ein gelungenes Buch.

Sicherlich kann man über manches inhaltliche Detail der Darstellung diskutieren, aber bei welchem Buch kann man das nicht? Scholl beginnt mit einer kurzen Hermeneutik der Bibel: „Was die Bibel ist und was sie nicht ist“. Er erläutert ihre Zeitgebundenheit, den Zusammenhang von AT und NT und die Methoden der Exegese. An dieser Stelle wäre noch eine Reflexion wünschenswert, inwiefern die Bibel auch und gerade mit den historisch-kritischen Methoden und ihren Erkenntnissen den Glaubenden als Wort Gottes gelten kann; das würde wahrscheinlich Leserinnen und Lesern, die v.a. ein Glaubens-Interesse an der Bibel haben, den Zugang zu Scholls Darstellung erleichtern. In einem zweiten Abschnitt gibt Scholl eine Einführung in das AT. Er erläutert die Entstehungstheorien des Pentateuchs (von der „4-Quellen-Theorie“ bis zum „Münsteraner Pentateuchmodell“) und geht dann auf einzelne biblische Abschnitte ein. Dabei wählt er sehr klug aus, denn er geht auf Themen immer wieder in Gemeinden gestellter Fragen ein:
 

  • die Urgeschichte und damit die Frage der Schöpfung (ein Vergleich von Gen 1 und 2), Abraham (Gen 12 und 22),
  • der Exodus (hierbei widmet er sich dem Gottesnamen und erläutert anhandvon Ex 13f die 4-Quellen-Theorie und [zu kurz!] die Überlegungen Zengers zur Stelle),
  • der Dekalog und die Frage nach Gottes Gebot,
  • die Landnahme und damit die Frage nach den Gewalt- und Kriegserzählungen der Bibel.

Anschließend stellt Scholl das biblische Bild von Prophetie dar und geht exemplarisch auf Elija, Amos und Jeremia ein. Es folgt eine Darstellung der Psalmen und ihrer Gattungen, erläutert anhand von jeweils einem Beispiel, sowie der Weisheit (nur knapp eingeführt die klassische Weisheit in Israel, ausführlicher Ijob und Koh). Im dritten Teil gibt Scholl eine Einführung in das NT. Dabei erläutert er die Entstehung der synoptischen Evangelien und scheut auch nicht einen synoptischen Vergleich. Er geht auch hier gut ausgewählt auf zentrale Fragen ein: die Taufe Jesu, die Botschaft vom Reich Gottes, die Gleichnisse, die Bergpredigt, die Auseinandersetzung mit Schriftgelehrten und Pharisäern, Wunder und schließlich auf Abendmahl, Passion und Ostern sowie auf die Geburtsgeschichten nach Mt und Lk. Joh widmet Scholl einem eigenen Abschnitt. Er erläutert Apg, die Briefliteratur und die Apk. Leider kommt bei der Briefliteratur die Differenzierung zwischen paulinischen und deuteropaulinischen Briefen entschieden zu kurz – leider ein großes Manko.

Norbert Scholl hat in seinem ganzen Buch eine gute, allgemein verständliche Sprache. Er erläutert ebenso verständlich historische Hintergründe und Entstehungsprozesse. Durch Textbeispiele macht er Exegese anschaulich und konkret. Dabei werden die Beispiele feinfühlig so erschlossen, dass auch immer wieder zwischen der Darlegung der Bedeutung von damals eine mögliche für heute durchscheint und auf diese Weise der Wert der biblischen Forschung für heutige Bibelleserinnen und -leser erschlossen wird. An manchen Punkten wäre eine ausführlichere Auseinandersetzung wünschenswert (z.B. bei der Gottesebenbildlichkeit des Menschen). Die Erwähnung einzelner Exegeten wirkt störend, ebenso die Auseinandersetzung mit ihnen; das entspricht nicht dem Charakter des Buches. Insgesamt ist es aber ein gelungenes und im besten Sinne des Wortes populärwissenschaftliches Werk, das Menschen mit mittlerem und gehobenem Bildungsniveau einen guten Einblick in die exegetische Wissenschaft bietet.

Frank Ueberschaer

Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 8/2009