Christologie aus Opferperspektive

Buchvorstellung - 05.12.2009

Jon Sobrino
Der Glaube an Jesus Christus
Eine Christologie aus der Perspektive der Opfer

Ostfildern: Matthias-Grünewald-Verlag 2008
520 Seiten, € 34,90
ISBN 978-3-7867-2741-5

Der Jesuit Jon Sobrino, Professor an der Katholisch-Zentralamerikanischen Universität von San Salvador, gilt als einer der größten Exponenten, Verbreiter und Denker der Theologie der Befreiung weltweit. Im vorliegenden Werk bietet er in knappen 500 Seiten die Summa seiner Gedanken in Bezug auf Fragen über die Gestalt von Jesus von Nazaret. Dabei präsentiert er einerseits die wichtigsten christologischen Entscheidungen der ersten Konzilien und setzt sich andererseits mit hermeneutischen, methodischen und theologischen Fragen auseinander.

Seine Botschaft ist aber überaus prägnant und einfach zu vermitteln: Die Zeit der kontextlosen, d.h. – in seiner Vorstellung – gleichgültigen, neutralen und realitätsfernen Theologien ist vorbei. Gerade aufgrund der globalen, sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen – mit Terrorkriegen und Zusammenbruch der liberalistischen Weltwirtschaft – ist der befreiungstheologische Ansatz von Sobrino aktueller denn je und von einer großen Relevanz. Von Jesus Christus zu sprechen, heißt, von einem Gott zu sprechen, der sich in der konkreten Wirklichkeit der Menschen erkennbar und ansprechbar gemacht hat. So kann und darf diese Wirklichkeit nicht mehr neutral betrachtet werden. Man kann Gott nur erklären, wenn man die Realität aus der Perspektive der Bedrohten, der Armen und der Opfer betrachtet. Die neueÜbersetzung des bereits 1999 auf Spanisch erschienenen Werkes von Sobrino stellt nicht nur die Welt der „westlichen Theologien“ in Frage, sondern bietet ihr auch Antworten. Bedrohung und Opfer sind nicht länger zu akzeptieren, Opfer zu sein darf nicht als die Endstation des Lebens gelten bzw. betrachtet werden. Das Ziel jeder Theologie sollte im Versuch bestehen, nicht abgehoben bzw. weltfremd zu sein, sondern aus der Perspektive der Opfer/victims der Gesellschaft betrieben zu werden. Sobrino selbst gründet seine Idee auf die eigenen konkreten Erfahrungen in Lateinamerika. Seine Appelle und sein Plädoyer für eine lebendigere und kontextualisiertere Wahrnehmung der Gestalt und des Werkes Jesu gelten jedoch allgemein.

Simone Paganini

Quelle: Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart, Biblische Bücherschau 9/2009