Georg Baudler
Darwin, Einstein - und Jesus
Christsein im Umiversum der Evolution
Düsseldorf: Patmos Verlag 2009
260 Seiten
ISBN 978-3-491-72535-5
Die neu aufgeblühte Atheismus-Welle, die gerade von naturwissenschaftlicher Seite vorgetragen wird, provoziert eine argumentative Klarstellung christlichen Glaubens. Doch auch ohne expliziten religionskritischen Impuls nötigt der heutige Stand der Naturwissenschaften zu einer theologischen Besinnung: „Wie kann ich mich mit einem solchen Welt- und Menschenbild als Christ verstehen?“
(9). Im Blick ist dabei der universale Evolutionsprozess vom Urknall bis hin zur biologischen Menschwerdung. In Anknüpfung an die Physik der Quantentheorie, in der von einer ur-anfänglichen Quanteninformation gesprochen wird, die alles Werden als einen von Energie getragenen dynamischen Prozess ausweist (122), assoziiert B. die theologische Idee der Wortschöpfung. „Der Logos als göttliche Schöpfungsrede ist eine von Vernunft geleitete, worthafte Dynamik, eine worthafte Energie, die das Universum durchzieht. Sie ist Ursprung und Grund des Universums“ (126). Doch ist hier nicht einfach eine Identität angedeutet, denn die Natur, wie wir sie erkennen, ist nicht gleichbedeutend mit der Schöpfung: „In den Naturgesetzen und Naturabläufen … kommt auch die vom Ursprung her teilweise radikal verfälschte und in ihr Gegenteil verkehrte göttliche Schöpfungsrede zum Ausdruck“ (149). Die wahre „Natur“ der Schöpfung müsse erst noch zum Vorschein kommen bzw. gebracht werden. Die Verdunkelung der Wahrheit belegt sich für B. besonders in den gewaltverhafteten Gottesvorstellungen unserer Vorfahren, gespiegelt auch in den biblischen Texten.
Manches sprachliche und gedankliche Relikt frühreligiöser Zeiten lebt jedoch bis heute fort – und verlangt nach neuer theologischer Sprache: „Die Ausdrücke >Pantokrator<, >omnipotenter Herrscher<, >allmächtiger ewiger Gott< … sind innerhalb unseres heutigen Weltbildes irreführend“ (176). Vom „allmächtigen“ Gott könne konsequent nicht mehr gesprochen werden: „Der Komponist ist ohnmächtig gegenüber der schrecklich misstönenden Aufführung seiner wunderbaren Komposition“ (195). Verloren schon seit der Antike die Gottesvorstellungen schrittweise ihren Gewaltcharakter (189ff), so konkretisiert sich für B. die ultimative Offenlegung des göttlichen Schöpfungsplanes in Jesus und seiner Botschaft vom rettenden Gott (201ff). Er habe „ungebrochen zeit seines Lebens nach der unverfälschten göttlichen Schöpfungsrede gelebt. Er war die leibhaftige Verkörperung dieser Rede“ (224). In dieser Perspektive sieht der Autor gewahrt, dass „die kosmische Bedeutung Christi auch im heutigen Weltbild erhalten“ bleibe (240).
Es ist insgesamt eine stringente, wenn auch stellenweise etwas esoterisch anmutende Konzeption zum interdisziplinären Dialog über den Bereich, wo sich „die religiöse Rede vom Licht und den Lichtwesen und andererseits die naturwissenschaftliche Beschreibung der atomaren und subatomaren Welt berühren und überschneiden“ (98).
Reiner Jungnitsch
Quelle: Religionsunterricht heute. Informationen des Dezernates Schulen und Hochschulen im Bischöflichen Ordinariat Mainz 38 (2009), Heft 3, S. 43.
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Der emeritierte Aachener Religionspädagoge Georg Baudler sucht mit seinem Buch „Wege aufzuzeigen, nach denen ich mich in dem von den modernen Naturwissenschaften beschriebenen kosmischen Irrgarten noch als Christ verstehen kann“ (10). Er geht dabei in drei Kapiteln vor, die er mit „Im kosmischen Irrgarten“, „Erkennbare Ordnungsstrukturen“ und „Ein rettender Gott?“ betitelt. Zunächst beschreibt er die unermesslichen Dimensionen des Kosmos und fragt nach dem Ort des Menschen darin bzw. nach dem Woher und Wohin von „Adam“. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse seit Kopernikus, Kepler und Galilei haben ihn zunehmend „unsichtbar“ (29) gemacht und zuletzt hat die Hirnforschung dazu beigetragen, dass der Mensch „sich im Irrgarten des evolvierenden Universums“ „verliert“ (80). Zudem „gibt die große Wahrscheinlichkeit außerirdischer intelligenter Lebewesen viel zu denken“ (46).
Das „Selbstverständnis des Menschen, das die moderne Naturwissenschaft ihm vermittelt“, korrespondiert demnach „wörtlich“ mit Gen 3,19: „Staub bist du und zu Staub wirst du zurückkehren.“ (58) Im mittleren und für den Vermittlungsversuch von Baudler zentralen Kapitel des Buchs verfolgt der Autor „starke Ordnungsstrukturen“ (81) in der Evolution des Universums. Die Frage von Goethes Faust, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, ist nach Baudler „heute die Grundfrage der Physik und der Naturwissenschaft“ (109). Baudler geht in dieser Frage vom Prozess der Evolution aus und versteht Realität als „fortlaufenden Prozess“ (122). „Göttliche Schöpfungsrede ermöglicht den Prozess“ (124). Damit ist ein „kosmisches Wortgeschehen“ (128) in Gang gesetzt, das bereits 13,7 Milliarden Jahre andauert. Der vom Autor am häufigsten zitierte biblische Vers ist Ps 19,3: „Ein Tag sagt es dem anderen, eine Nacht tut es der anderen kund.“ Alle Wirklichkeit hat demnach Sprachcharakter, und „sprachliche Dynamik“ ist – so Baudler im Rückgriff auf den Philosophen Hamann – „der einende Ursprung und Urgrund der Wirklichkeit“ (130). Baudler beklagt dann die „Verfälschungen der Schöpfungsrede“ bzw. den „schreienden Widerspruch“ dazu in Katastrophen (etwa in den „Gräueln der menschlichen Geschichte“ und Naturkatastrophen (147) oder wenn ein Krebsgeschwür der „Schöpfungsmelodie“ „widerspricht“ (182).
Im Schlussteil des Buchs fragt er deshalb nach einem gewaltlosen, rettenden Gott. Dieser Gott ist „eine Art Fluidum, das den Prozess Sein vom Ursprung her durchwaltet“ (152), und Jesus ist die „Verkörperung der unverfälschten göttlichen Schöpfungsrede“ (213 u.ö.). Es kommt Baudler darauf an, das „wahre Wesen des Göttlichen“ aus den gewaltsamen, verfälschenden „Übermalungen der Schöpfungsrede“ hervortreten zu lassen. (158) Eine Gewaltgottheit ortet er auch in der biblischen Tradition: „Auch der biblische Mensch hat die Schöpfungsrede in ihrer vom Ursprung her verfälschten Form gelesen.“ (160) Jesus war dann so sehr von der unverfälschten Schöpfungsrede „durchdrungen, dass der Tod ihn nicht im nicht Sein festhalten konnte“ (225). Dem Planeten Erde ist durch Jesus und seine Auferstehung Hoffnung gegeben. Die Quantenphysik „legt nahe“, sich als Christ im Universum der Evolution das Jenseits bzw. den „neuen Himmel und die neue Erde“ aus Offb 21,1 als Paralleluniversum vorzustellen. (235) Der Autor ist merklich von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen fasziniert, während er einschlägige philosophische, theologische und exegetische Literatur kaum zur Kenntnis nimmt. Die vielseitigen Bemühungen anderer Wissenschaftler/innen um eine Vermittlung von Theologie und Naturwissenschaften handelt er in einigen Absätzen ab und wirft ihnen fast pauschal fehlendes Einarbeiten in naturwissenschaftliche Fragestellungen vor. (39f)
Baudlers mitunter eigenwillige Interpretation biblischer Texte kommt weitgehend ohne Beachtung exegetischer Einsichten aus. Wissenschaftstheoretische Klärungen und ein ausgeprägteres Bewusstsein für mögliche Mehrdeutigkeiten und Analogien nicht nur theologischen Sprechens hätten dem Buch gut getan. So ist das Buch vor allem durch Kurzschlüsse und Vordergründigkeit gekennzeichnet. Eine Aneinanderreihung etwa eines (falschen) Kant-Zitats, einer (zweifelhaft fortgeschriebenen) Aussage von Galilei, eines Hinweises auf Plancklänge und Planckzeit beim „Vortasten“ auf den Urknall und die Interpretation des „Tohuwabohu“ aus Gen 1,2 als „nichts“ (… um auch noch die creatio ex nihilo unterzubringen) auf nur zwei Buchseiten (50f) ergibt m.E. keinen tragfähigen „Brückenbau“ (100). Zu einem „wirklichen Gespräch zwischen Naturwissenschaften und Theologie“ (188) trägt das Buch deshalb leider nichts bei.
Elisabeth Pernkopf
Quelle: Katholisches Bibelwerk, Biblische Bücherschau 8 (2009)