Psychologie im Schulalltag

Buchvorstellung - 22.11.2009

Ann Elisabeth Auhagen (Hg.)
Positive Psychologie
Anleitung zum "besseren" Leben

Weinheim: Beltz Verlag 2008
232 Seiten
ISBN 978-3-621-27623-8

Für Religionsunterricht und Schulalltag spielen nicht nur religionspädagogische Theoriemodelle und methodischdidaktische Konzepte eine Rolle, vielmehr sind es immer wieder auch Themen der pädagogischen Psychologie. Das Buch „Positive Psychologie“ knüpft da an und richtet sich auch direkt an Lehrer und Theologen als Lesergruppe. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein innovatives Lehr-Buch. Als Psychologe und Supervisor habe ich es mit viel Freude zur Kenntnis genommen und studiert. Worin besteht das Innovative?

Die herkömmliche Psychologie als Wissenschaft vom Verhalten und Erleben des Menschen beschäftigt sich zum allergrößten Teil mit „negativ“ konnotierten menschlichen Phänomenen wie Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Suchtverhalten, Ängste, Minderwertigkeitskomplexe, Depressionen, etc.. Daraus wird in vielen Theorieansätzen nach klinischen Gesichtspunkten eine Psychopathologie des Menschen entwickelt, psychisch bedingte Krankheitsbilder konstruiert, in die der gestörte oder leidende Mensch eingeordnet – und in der Psychotherapie – behandelt wird. So ist es Praxis. Insofern wird das Individuum als defizitäres Wesen von der herkömmlichen Psychologie im Grunde pathologisiert. Die Positive Psychologie verfolgt demgegenüber einen anderen Ansatz:: „Positive Psychologie kann bezeichnet werden als Orientierung auf das Mehren des Guten in Forschung und Anwendung, insbesondere im Hinblick auf menschliche Stärken und Ressourcen, vor dem Hintergrund einer integrativen Ethik der Nächstenliebe und des Verzichts auf jede Form von Gewalt und mit dem Ziel, bessere subjektive und objektive Lebensbedingungen für Menschen zu schaffen“ (S.12). Es ist ein Lehrbuch, das anregt, sich mit diesen aktuellen Themen zu beschäftigen, wie sie auch in Schule und Unterricht eine große Rolle spielen. Das Buch ist sehr lesefreundlich aufgemacht, gut strukturiert und in seinem Duktus auch für Nichtfachleute gut verständlich. Vor allem aber ist es für Lehrer und Lehrerinnen hilfreich, um die eigenen Bedingungen, aber auch die der Schüler sowie des Unterrichts besser zu verstehen: Wo werden sonst zentrale Sachverhalte der Lebensqualität fachlich fundiert und allgemeinverständ lich erläutert mit Verweisen auf den Alltag? Mehr als ein Dutzend zentraler Themen werden dargestellt: u.a. Gelassenheit, Geborgenheit, Achtsamkeit, Religiosität und Spiritualität, Sinn, ethische Kommunikation, Vertrauen, Verzeihen, Güte, Solidarität. Neben der Darstellung dieser Themen geht es vor allem immer um den praktischen Bezug. Im letzten Kapitel wird die Frage gestellt, wie das Leben „besser“ gelingen kann; Prozesse und Strategien werden diskutiert (S.203). Diese lassen sich natürlich nicht als Rezepte 1:1 umsetzen, aber ich kenne keine Schule, keine Klasse, keine Lehrerkollegen, keine Schulleitung, die nicht in vollem Maße an der „Mehrung des Guten“ (s.o. S. 12), hier in Schule und Unterricht - interessiert ist. Lehrerkollegen und -kolleginnen fragen oft: „Worin besteht der Nutzen des Buches für mich und meine Arbeit? Hier zusammengefasst einige Stichworte:

  • Erweiterung der eigenen Anthropologie, des Menschen- und Schülerbildes,
  • Kennenlernen eines zukunftsweisenden, neuen Paradigmas, das der Positiven sychologie, und seiner praktischen Bedeutung,
  • Anregungen für Themen im Religionsunterricht, wie z.B. Sozialethik, Kommunikationsverhalten, Lebenssinn, Religiosität, Vertrauen, Geborgenheit,
  • Herangeführtwerden an das Thema Achtsamkeit in der Schule.


Insgesamt ein wertvolles und hilfreiches Arbeitsbuch, das uns bisher gefehlt hat und hoffentlich von Vielen an der Schule Beteiligten gelesen und beherzigt wird.

Alois Ewen

Quelle: Religionsunterricht heute. Informationen des Dezernates Schulen und Hochschulen im Bischöflichen Ordinariat Mainz 38 (2009), Heft 3, S. 41.