Christina Kalloch/ Stephan Leimgruber/ Ulrich Schwab
Lehrbuch der Religionsdidaktik
Für Studium und Praxis in ökumenischer Perspektive
Freiburg: Herder 2009
440 Seiten
ISBN 798-3-451-302-633
Der Titel Lehrbuch trifft genau das, was Christina Kalloch, Stephan Leimgruber und Ulrich Schwab vorlegen. Es ist ein Werk, aus dem akademischen Lehrbetrieb entstanden, das in sehr klaren Strukturen einen Überblick über die Historie und den gegenwärtigen Stand der Religionsdidaktik gibt.
Die Tatsache, dass die drei jedes Kapitel gemeinsam verantworten, garantiert die ökumenische Perspektive und erleichtert das Lesen, da das Werk wie aus einem Guss wirkt, wenn auch die jeweilige Handschrift in einzelnen Kapiteln erkennbar bleibt.
In klarer Diktion werden altbekannte und neue Spielarten religionspädagogischer und religionsdidaktischer Unterweisung, bzw. unterrichtlicher Legitimations- und Strategiekonzepte präsentiert. Jedes dieser Kapitel ist einheitlich gegliedert und unterscheidet eine hinreichend präzise Darlegung mit anschließender kritischer Reflexion und Einordnung („Würdigung und Ausblick“). Insofern ist es für Studierende eine gewinnbringende Lektüre als Überblick über die Provenienz, die Entwicklung und mögliche Perspektiven der einzelnen Ansätze, mit denen sie sich im Studium und dem weiteren Verlauf ihrer Ausbildung befassen werden. Gut geeignet auch als Nachschlagewerk und Repetitorium für Vorbereitungen und Modulprüfungen in der Zweiten Phase der Lehrerbildung.
Für den mehr informierten Leser, die mehr informierte Leserin ist die Unterscheidung in Konzeptionen, Dimensionen und Prinzipien von Interesse, nach denen die religionsdidaktischen Ansätze untergliedert und kategorisiert werden. Diese Einteilung findet sich ähnlich in „Religionsdidaktik“ herausgegeben von Hilger, Leimgruber und Ziebertz (Kösel 2001 u.ö.), ohne dass dort in gleicher Weise die Begrifflichkeiten so klar voneinander geschieden wären.
Für den weitergehenden Begriff der Konzeptionen wird im vorliegenden Lehrbuch reklamiert, dass diese eine Epoche so umfassend prägen, dass darin nicht nur Auswirkungen auf den wissenschaftlichen Diskurs, sondern auch auf die Organisation und das religiöse Lernen im Religionsunterricht bis hin zur Konzeption von Schulbüchern zu erkennen sind. Konzeptionen stehen in Konkurrenz zueinander, lösen sich ab, verstehen sich als Fortentwicklung und führen Grundsatzdebatten. Die Möglichkeit der Gleichzeitigkeit der Ansätze wird an einem anderen Ort (188) nachbenannt.
Als große konzeptionelle Didaktiken werden die Katechismuskatechese, Religionsunterricht als kirchlicher Unterricht, der hermeneutische und der problemorientierte Ansatz ebenso wie die Korrelationsdidaktik und Symboldidaktik interpretiert und dargestellt. Das Kapitel zu den Konzeptionen schließt mit „Die konstruktivistische Alternative“ als ein Ansatz „Jenseits der Moderne“, ohne dass dieser Ansatz als der letztgültige der Didaktik vorgestellt wäre. Im Gegenteil wird bereits im methodologischen Teil eine klare Grenze gesetzt, wenn die Entstehungszeit der religionsdidaktischen Konzeptionen auf die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts begrenzt wird (25). Diese Grundannahme wird in den
Schlussfolgerungen des Autorenteams in Das Zeitalter religionsdidaktischer Konzeptionen, das diese Qualität der Didaktiken als quasi in den 80er Jahren abgeschlossene Ära wertet, weiter präzisiert. Acht Grundstrukturen werden herangezogen, um die bisher vorgestellten Konzeptionen zu vergleichen und zu begründen. Diese Grundmuster (Religion, Glaube, Kirche, Gesellschaft, Schule, Bildung, Theologie, Bibel) sind einsichtig, werden aber weder hergeleitet und begründet, noch auf ihre Vollständigkeit hin befragt. Sie untermauern die These, dass sich Religionsunterricht im geschichtlichen Duktus der Entwicklung religionsdidaktischer Konzeptionen zum einen davon löst „kirchliche Veranstaltung“ zu sein und zum anderen sich „der Begriff Religion nicht länger ausschließlich auf das Christentum“ bezieht und ein plurales Verständnis von Religion zur Grundlage wird. „Waren die problemorientierte Religionsdidaktik und die Korrelationsdidaktik noch eindeutig konfessionell verankert, so wird der Religionsunterricht in den religionstheoretischen Konzeptionen zum allgemeinen Unterricht in Religion oder zur ideologiekritischen, auf Sinn und Normfragen reduzierten Religionskunde.“ Ob das Autorenteam mit dieser Analyse allen derzeitigen Ansätzen gerecht wird, muss im Auge behalten werden. Einige der auch in diesem Buch weiter unten dargestellten Dimensionen und Prinzipien scheinen vom Ansatz her jedenfalls in die entgegengesetzte Richtung zu tendieren, bzw. diese Entwicklung zu beklagen.
Kalloch, Leimgruber und Schwab bewerten alle „späteren“ religionsdidaktischen Ansätze als Dimensionen, bzw. Prinzipien: „Die Entwicklung weiterer religionsdidaktischer Ideen, wie sie im nachfolgenden Kapitel aufgezeigt werden, führt unseres Erachtens nicht zu neuen, eigenständigen Konzeptionen. Vielmehr bewegt sich die Diskussion nun um einzelne Aspekte (...) Als normative Grundstruktur bleiben die Konzeptionen dabei also von großer Bedeutung und dürfen in der Diskussion nicht verschleiert werden.“ (190)
Dimensionen werden in ihrer umfassenden Prägekraft den Konzeptionen vorgelagert. Sie bilden den Kontext, in dem sich die Religionsdidaktik den „Herausforderungen der Zeit“ zu stellen hat. Zu den ausgewählten Dimensionen zählen Multikulturalität, Religiöse Pluralität, Ästhetische Bildung, empirische Forschung und Sensibilität für die Genderproblematik.
Religionsdidaktische Prinzipien konzentrieren sich auf einen besonderen Aspekt religionsdidaktischen Handelns. Damit werden sie als grundlegende „regionale Handlungsanweisung“ zum Bindeglied zwischen Theorie und Praxis. „Beispiele hierfür sind die Sakralraumpädagogik, das biografische Lernen, die Elementarisierung, die Kindertheologie und der performative Ansatz.“ (27)
Das Autorenteam weitet die Analyse des Religionsunterrichts in eine europäische Dimension. Dieser für ein Lehrbuch wichtige Schritt öffnet den Blick für andere, oft gegenläufige Entwicklungen und kann dem Leser/der Leserin deutlich machen, wie unterschiedlich Religionsunterricht und sein Stellenwert in den Ländern Europas ist. So wird die geschichtliche Gewachsenheit der Situation in Deutschland offensichtlich, und der derzeitige Befund in den Bundesländern als eine mögliche Entwicklungslinie nachgezeichnet. Zwischen den Zeilen vermag man auch Warnungen vor Überheblichkeiten herauslesen, was die Zukunftsmodelle von Religion in der Schule betreffen. Vor allem dann, wenn man über den Stellenwert dieses vierten Kapitels als breite Analyse möglicher unterschiedlicher Spielarten von Religionsunterricht nachdenkt. Gerade auch, wenn im nachfolgenden Kapitel abschließend Zukunftsperspektiven ausgelotet werden.
Das vorliegende Lehrbuch ist in seinen Inhalten von allen drei Autoren legitimiert, im Schlusskapitel Die Zukunft des Religionsunterrichts – drei Visionen wagt aber jeder für sich einen Blick in die Glaskugel. Alle drei Visionen sind sehr zurückhaltend formuliert und bedienen sich aus der allgemeinen Diskussionslage zum Religionsunterricht. Konkrete Entwicklungslinien oder manifeste Leitlinien vermisst man. Lediglich Zwischentöne sind bei genaueren Lesen auszumachen.
Christina Kalloch ist sich der kompensatorischen Aufgabe des Religionsunterrichts bewusst und befragt am Ende ihrer Ausführungen die Tragfähig des konfessionellen Konzeptes angesichts der immer geringer werdenden Glaubenserfahrung der Schülerinnen und Schüler. Sie sieht für die Zukunft tragfähige Konzepte eher im Kleinen, nicht als flächendeckende Lösungen.
Stefan Leimgruber sieht die neueren Entwicklungen in der Religionspädagogik und Religionsdidaktik positiv und macht dafür auch die feste Verankerung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach mitverantwortlich. Dass er dabei nicht das gesamte bundesrepublikanische Spektrum erfasst, bleibt unerwähnt. Interessant ist am Ende sein Statement, dass der christliche Glaube über den Umweg über andere Religionen „in der pluralistischen Zeit seinen Standort neu finden“ wird. Folgerungen für die Religionsdidaktik werde an dieser Stelle nicht weiter entwickelt.
Ulrich Schwab geht es um das religiöse Mündigwerden der Schülerinnen und Schüler, er sieht in subjektorientierten Ansätzen in Verbindung mit der Analyse der Rolle als Beziehungsgeschehen im Unterricht eine Perspektive für die Zukunft. Es müssen solide theologische, didaktische und pädagogische Grundlagen in der Ausbildung der Lehrkräfte gelegt werden, damit sich christlicher Religionsunterricht der Kommunikation des Evangeliums verpflichten kann.
Mein Resümee: Stark sind die Klarheit und konzise Darstellung der „historischen“ religionsdidaktischen Ansätze, ich schätze die Analyse und den wertenden Ausblick in dieser Publikation. Ich vermisse aber wirkliche Perspektiven. Gerade die neueren Entwicklungen werden nur randständig erwähnt. Als Beispiel mögen hier die Kapitel zum Konstruktivismus und zur Kompetenzorientierung dienen. Zu diesen aktuellen Themen hätte ich mir eine breitere religionsdidaktische Diskussion gewünscht, gerade auch in ihren Verbindungslinien zueinander.
Ein wirkliches Lehrwerk, sicherlich hilfreich in der Hand der Studierenden und Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst – mehr aber auch nicht.
Frank Wenzel