Lehrbuch Fundamentaltheologie

Buchvorstellung - 18.08.2009

Christoph Böttigheimer
Lehrbuch der Fundamentaltheologie
Die Rationalität der Gottes-, Offenbarungs- und Kirchenfrage

Freiburg i.Br.: Herder 2009
728 Seiten
ISBN 978-3-451-32259-4

Ein Handbuch der Fundamentaltheologie, über 700 Seiten stark, erhebt den Anspruch eines Standardwerkes. Zum letzten Mal erschien ein solches Standardwerk, herausgegeben von Walter Kern, Hermann Josef Pottmeyer, Max Seckler in der Teamarbeit zahlreicher namhafter Autoren.

[Kern, Pottmeyer, Seckler: Handbuch der Fundamentaltheologie, 4 Bde TB-Ausgabe Stuttgart 2000.] Wenn ein Einzelautor ein solches Standardwerk verfasst, erwartet man einen neuen, originellen Zugang zu einem alten Studiengebiet, wofür Karl Rahner ein Beispiel ist, der die Fundamentaltheologie zur fundamentalen Theologie umgestaltet sehen wollte. Ein Handbuch der Fundamentaltheologie, über 700 Seiten stark, erhebt den Anspruch eines Standardwerkes. Zum letzten Mal erschien ein solches Standardwerk, herausgegeben von Walter Kern, Hermann Josef Pottmeyer, Max Seckler in der Teamarbeit zahlreicher namhafter Autoren. [Kern, Pottmeyer, Seckler: Handbuch der Fundamentaltheologie, 4 Bde TB-Ausgabe Stuttgart 2000.] Wenn ein Einzelautor ein solches Standardwerk verfasst, erwartet man einen neuen, originellen Zugang zu einem alten Studiengebiet, wofür Karl Rahner ein Beispiel ist, der die Fundamentaltheologie zur fundamentalen Theologie umgestaltet sehen wollte. [Siehe z.B. Winfried Werner Fundamentaltheologie bei Karl Rahner Tübingen 2003.] Adolf Kolping rang in seiner dreibändigen Fundamentaltheologie [Adolf Kolping Fundamentaltheologie, Bd.1 Münster 1967, Bd. 2 Münster 1974, Bd. 3 Münster 1981] insbesondere mit der Frage, wie angesichts der modernen Exegese der Offenbarungsbegriff neu zu fassen sei. Hansjürgen Verweyen schließlich baute seine Fundamentaltheologie [Hansjürgen Verweyen: Gottes letztes Wort. Entwurf einer Fundamentaltheologie, Düsseldorf (Patmos) 2. Aufl. 1998] auf den Gedanken der Letztgültigkeit eines Wortes auf und löste mit seinem Ansatz heftige Diskussionen aus.
Christoph Böttigheimer, 48-jähriger Fundamentaltheologe an der kirchlichen Universität Eichstätt, hat sich den Rationalitätsaufweis des christlichen Glaubens (19) vorgenommen und dabei die klassische Gliederung bewusst beibehalten (20), was ihm nicht zuletzt im Blick auf die Lehramtsprüfungen geboten scheint. Diese Rücksichtnahme auf den potentiellen Leser und seine Bedürfnisse scheint mir das eigentliche Programm des Buches zu sein, das vor allem auch als Nachschlagewerk hervorragende Dienste leisten kann. Das Buch ist in vier Traktate eingeteilt: Grundlegung (21-164), Religionsfrage (165-350), Offenbarungsfrage (351-544) und Kirchenfrage (545-714). Innerhalb jeden Traktates werden die Einzelfragen - zum Beispiel Theologie als „Gott-Rede“ (23-54) oder Philosophische und theologische Religionskritik (191-199) – je für sich historisch aufgearbeitet und weitgehend in sich abgeschlossen behandelt. Trotzdem ist das ganze ein Buch, wofür die stilistische Geschlossenheit und der gemeinsame Bezug aller Argumentationen auf die Hauptaufgabe, den Rationalitätsaufweis des christlichen Glaubens – sorgen.
Es kann im Rahmen einer solchen, im Umfang beschränkten, Rezension nicht geleistet werden, die Zuverlässigkeit der von Böttigheimer zusammengetragenen Überlegungen in ganzer Breite zu prüfen; ich muss mich auf Felder beschränken, die mich selbst interessieren und in denen ich mich ein wenig auskenne.

So wird die Gottesbeweisfrage breit diskutiert (200-232), Anselm kommt vor, Thomas von Aquino mit seinen Quinque Viae, Descartes, Blaise Pascal und Immanuel Kant. Aber vieles erfährt der Leser denn auch nicht: Den Bewegungsbeweis des Aquinaten kann beweistechnisch erst bewerten, wer ihn im Physikkommentar nachschlägt [corpusthomisticum.org/cpy07.html], in der Summa findet sich nur die knappste Zusammenfassung. Erklärtermaßen bietet Thomas in den quinque viae keinen eigenständig christlichen Beitrag zur Gottesfrage; wer einen solchen sucht, muss Johannes Duns Scotus tractatus de primo principio [Herausgegeben und übersetzt von Wolfgang Kluxen Darmstadt 1974] studieren. Was Thomas im gesamten ersten Teil seiner Summa unternimmt, das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen christlich-heidnischem und christlichen Denken, fasst Duns Scotus in seiner Abhandlung in einen auf den Gottesbegriff konzentrierten Gedankengang.

Und Kant hat auch so nicht behauptet, Gott komme in der Welt der Wissenschaft nicht vor. (229). Kant unterscheidet vielmehr in der Kritik der Urteilskraft – dem für die Gottesbeweisfrage relevantesten Werk des Königsbergers – eine eigentliche von einer uneigentlichen Naturwissenschaft: Die eigentliche Wissenschaft entspricht der klassischen Mechanik mit ihrer Vorstellung einer durchgängigen Vorhersagbarkeit der anschaulich konstruierten Systeme; alle anderen Wissenschaften von der Kosmologie, Geologie, Biologie bis zur Quantenphysik und Chemie sind in Kants Sicht uneigentliche Naturwissenschaft, weil gestützt auf die reflektierende und nicht auf die bestimmende, mechanistisch konstruierende Urteilskraft. Betrachtete man Gott als Element eines Mechanismus, hätte man ihn seiner Göttlichkeit beraubt – aber die reflektierende Urteilskraft wird von Kant durchaus angehalten, nach einer Theologie zu suchen, auch wenn sie keine hervorbringen kann [rpp-katholisch.de/Systemseiten/Benutzer/LogIn/tabid/62/Default.aspx ].

Viel zuverlässiger sind die Informationen des Buches, wo es um das Offenbarungszeugnis des Neuen Testamentes geht (400-432). Hier wird die Bedeutung der Exegese des vergangenen Jahrhunderts für die Offenbarungstheologie sehr konzis auf den Punkt gebracht, und da die exegetischen Aufregungen auf diesem Feld sich einwenig beruhigt zu haben scheinen, kann man davon ausgehen, dass hier der Anspruch eines Standardwerkes zumindest für einige Jahre eingelöst worden ist.

Christoph Böttingheimer hat besonders auf dem Gebiet der Kirchenfrage Veröffentlichungen vorzuweisen [ku-eichstaett.de/Fakultaeten/THF/fundamental/mitarbeiter/boettigheimer.de]. Und in der Tat wird in diesem Traktat unter eindrucksvoller Literatureinarbeitung alle wichtigen Aspekte der Kirche behandelt. Wenn ich nun aber ein Handbuch der Dogmatik daneben lege [Handbuch der Dogmatik, HRSG Theodor Schneider, Ausgabe Düsseldorf 2002, Bd.2, S.47-154.], dann kann ich nicht mehr erkennen, wo der Unterschied liegen soll, zwischen einem spezifisch dogmatischen und einem spezifisch fundamentaltheologischen Zugang zum Thema. Das intrinsezistische Vorgehen, das Böttigheimer ankündigt (560) und durchführt, ist doch nichts anderes als die dogmatische Selbstbeschreibung der Kirche. Wäre es nicht fundamentaltheologisch interessanter die Außenwahrnehmung der Kirche, die theologische Deutung und die Alltagswirklichkeit miteinander ins Gespräch zu bringen, wie es der Giessener Religionspädagoge Franz Josef Bäumer unternommen hat.

Zuletzt bleibt ein uneinheitlicher Eindruck von diesem dicken Lehrbuch der Fundamentaltheologie. Es ist da am stärksten, wo der Autor selbst wissenschaftlich gearbeitet hat und eigene Ideen entwickelt. Zu anderen Traktaten und Einzelthemen gibt es einfach an anderer Stelle Genaueres zu lesen. Vielleicht sollten Standardwerke heute tatsächlich in Teamarbeit entstehen, weil es einem einzelnen gar nicht mehr möglich ist, die gesamte Forschung zu überblicken.

Karl Vörckel