Rudolf Langthaler/ Kurt Appel (Hg.)
Dawkins' Gotteswahn
15 kritische Antworten auf seine atheistische Mission
Wien: Böhlau 2010
400 Seiten
ISBN 978-3-205-78409-8
15 Gelehrte der Theologie, Philosophie und Naturwissenschaft haben sich zusammengetan, um Dawkins’ Gotteswahn in Grund und Boden zu schreiben; sie wollen den auf Aufweis .. erbringen, warum sein Zugang zu theologischen und philosophischen Fragestellungen sachlich unangemessen ist und sein Umgang mit den darin maßgebenden Themen die eigentlichen Sachprobleme völlig entstellt bzw. verfehlt. [S. 9] einige Zitate aus den Untersuchungsergebnissen mögen dies konkretisieren:
Das weite und dichte traditionelle Themenfeld "Gottesbeweise" hat Dawkins (bzw. Sein "Gehirn") jedenfalls erfolgreich aus seinem Mem-Haushalt eliminiert und durch fantastische Neugebilde ersetzt -zweifellos eine beeindruckende Kostprobe vom Selbstverständnis und von den psychischen Dispositionen des Autors, wie der Leserschaft seltsame Früchte beschert. [Langthaler; 157]
Dawkins macht Gott zu einem Götzen, mit dem man verhandelt. Dagegen ist auch hier an der geistigen Dimension der Wirklichkeit festzuhalten, in die der Mensch immer schon hineingestellt ist mit jedem Satz, den er spricht. [Appel; 193]
Dawkins .. berücksichtigt nicht, wie sehr die Thematik der Interpretation der Bibel selbst inhärent ist. [Deibl; 217]
So richtig das alles ist, bleibt doch diskussionsbedürftig, warum die Gelehrten ein so oberflächliches, unwissenschaftliches und polemisches Buch einer 400-Seiten-Antwort würdigen. Dazu machen die Herausgeber geltend, dass gerade aufgrund der besonderen Begabung Dawkins’ zur argumentativen Verkürzung sein Buch zum Bestseller avancierte und vornehmes Schweigen als Flucht und Immunisierungsstrategie aufgefasst werden könnte. [Appel/Langthaler; 8f] es gilt also, vorgebrachte Argumente zunächst einmal ernst zu nehmen und sie gegebenenfalls durch argumentative Erwiderung zu entkräften. [Appel/Langthaler; 11] Daran könnten gerade wir Religionslehrkräfte Interesse haben, da durchaus einige unserer Schülerinnen und Schüler Dawkins gelesen haben.
Warum das Buch dieses Interesse nur teilweise erfüllt, möchte ich anhand eines längeren Zitates erläutern, in dem Langthaler [131f] sich mit der Bearbeitung des vierten Gottesbeweisweges aus der Summa Theologiae durch Dawkins auseinandersetzt:
Es darf zwar nicht unbedingt, wie D. vorgibt, als eine gelungene Erläuterung des „vierten Weges" des Thomas v. A. gelten, - sondern eher als eine wiederum sehr eindrucksvolle Kostprobe dafür, was der „allein nach der Wahrheit strebende" D. unter seiner beanspruchten „umfassenden" Auseinandersetzung mit dem Thema „Gottesbeweise" (und unter der von ihm wiederholt strapazierten „intellektuellen Redlichkeit") versteht, die in seiner phantasievoll entlarvenden — mit einem gewohnt eindrucksvollen, wiederum biologisch inspirierten Vergleich unterstützten — Auskunft zutage tritt: „Aber solche Abstufungen können wir nur durch den Vergleich mit einem Maximum beurteilen. Menschen können sowohl gut als auch schlecht sein, also kann das Maximum des Gutseins nicht in uns liegen. Es muss ein anderes Maximum geben, das den Maßstab der Vollkommenheit bildet, und dieses Maximum nennen wir Gott.“
Das soll ein Argument sein? - Nein, da hat D. zweifellos recht, aber das behauptet — außer ihm — auch niemand! Es ist also, gemäß seinem „Naturalismus", als recht zart-ephemeres „Mem" lediglich „erwachsen aus den äußerst komplizierten Verflechtungen physischer Gebilde" in Ds Gehirn: s. o.] Ebenso gut kann man sagen: Die Menschen unterscheiden sich in der Stärke ihres Körpergeruchs, aber einen Vergleich können wir nur anhand eines vollkommenen Maximums an vorstellbarem Körpergeruch anstellen. [Es ist zu befürchten, dass hierfür auch schon ein „unvollkommenes Maximum" reicht, das wohl nicht unsinniger ist als jenes von D. erwogene „vollkommene Maximum".] Es muss also einen überragenden Stinker geben, der nicht seinesgleichen hat, und den nennen wir Gott.
Nichts gegen Spott und Polemik – die hat sich Dawkins redlich verdient. Aber über die Scherze Langthalers können allenfalls die Studenten seines Oberseminars schmunzeln; Schüler der Qualifikationsphase würden wenig Lust an einem solchen Text haben, der seine Inhalte in Klammern und Parenthesen verschachtelt und Begriffe wie „Mem“, „Naturalismus“ „Intellektuelle Redlichkeit“ in ironisierender Absicht hineinpackt, obgleich sie hier nichts zur Klärung beitragen. Und das ist schade, denn die Analogie vom überragenden Stinker ist natürlich ein brillanter Einfall, der Dawkins mit seinen eigenen Waffen der polemischen Verdichtung schlägt.
Die Texte von Kurt Appel und Jacob Deibl und den anderen Autoren argumentieren disziplinierter, ihre Lektüre macht aber auch weniger Spaß. Immerhin bieten sich hier Möglichkeiten für Informationsblätter und sogar Kursarbeiten, Abschnitte aus dem „Gotteswahn“ mit ihren kritischen Antworten zu konfrontieren und die Schülerinnen und Schüler zur Diskussion und eigenen Meinungsbildung anzuregen.
Karl Vörckel