Laizismus?

Buchvorstellung - 21.01.2010

Thomas Meyer
Die Ironie Gottes
Religiotainment, Resakralisierung und die liberale Demokratie

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007
135 Seiten
ISBN 978-3-531-14734-5

Der Titel „Die Ironie Gottes“ macht neugierig. Gleich zu Beginn erläutert Thomas Meyer, Politikwissenschaftler an der Universität Dortmund und politischer Essayist, sein Wortspiel: „Die Rache Gottes, so hatte der französische Philosoph und Islamwissenschaftler Gilles Kepel für die 1980er und 90er Jahre konstatiert, war die Wiederkehr der überwunden geglaubten Religionen als Fundamentalismus, als Griff nach der absoluten Macht in Kultur, Staat und Gesellschaft.

Die Ironie Gottes, so scheint es heute ist die Resakralisierung des öffentlichen Raums bei uns und in den anderen Ländern Europas in einer Zeit, da eigentlich die Überzeugungskraft der Religion schwindet und ernsthaft bekennende Mehrheiten seit langem nicht mehr in Sicht sind.“ Ist das ein Grund zur Sorge? Für den liberalen Meyer sehr wohl. In Papst Benedikt XVI. personifiziert sich für ihn die Umwertung der Werte in Sachen Vernunft und Öffentlichkeit, er sei dafür verantwortlich, dass sich das Koordinaten-System der modernen Kultur in Europa kurzerhand ins Gegenteil verkehrt habe. Rettung sieht Meyer im von ihm so genannten „Lessing‘schen Minimum“, an dem als Fundament einer liberalen Gesellschaft nach seiner Überzeugung unbedingt festzuhalten sei: Es bestehe darin, im Verhältnis der Glaubensüberzeugungen zueinander und bei der Entscheidung der für alle verbindlichen politischen Fragen Wahrheitsüberzeugungen nicht als feste Gewissheiten gegen die Anderen in Stellung zu bringen.

Meyers „Lessing‘sche Minimum“ entpuppt sich bei näherer Betrachtung als intoleranter Laizismus, der religiös motivierte Überzeugungen aus dem öffentlichen Diskurs ausschließen möchte und ins Private verweist. Der grundsätzliche Ausschluss der Religion aus der Öffentlichkeit aber hätte etwas genauso Willkürliches und Totalitäres, wie es der Ausschluss aller anderen persönlichen Einsichten, Erfahrungen und Motive hätte. Es empfiehlt sich, einmal die einschlägigen Passagen des Konzilstextes Gaudium et spes (73-76) oder die jüngsten Äußerungen des derzeitigen Papstes nachzulesen. Sie sind ein leidenschaftliches Plädoyer für einen legitimen weltanschaulichen Pluralismus, der nicht so tut, als ob die Ausklammerung von Wahrheitsüberzeugungen schon die Lösung unserer gesellschaftlichen Herausforderungen sei.

Martin W. Ramb

Quelle:
Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung 1 (2008), Heft 1, S. 67

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