Basiswissen Ökumene

Buchvorstellung - 29.06.2009

Lothar Lies
Grundkurs Ökumenische Theologie
Von der Spaltung zur Versöhnung. Modelle kirchlicher Einheit

Innsbruck: Verlagsanstalt Tyrolia 2005
262 Seiten
ISBN 3-7022-2722-9

Ökumenische Gesinnung gilt heute als pure Selbstverständlichkeit. Oft wird mit Kopfschütteln registriert, dass es immer noch verschiedene Kirchen nebeneinander gibt, obwohl doch im Grunde „alle dasselbe glauben“. Die verbleibenden Differenzen gelten als typische Theologenprobleme, die an der „Basis“ sowieso nicht mehr verstanden werden.

Solche Einwürfe sollten von unserer „Zunft“ durchaus ernst genommen werden. Wo damit freilich die Notwendigkeit eines geduldigen Aufeinander-Hörens, eines offenen Miteinander-Ringens und einer differenzierten theologischen Konsensbildung bestritten werden soll, kann von echter und nachhaltiger Ökumene wohl nicht die Rede sein. Dazu ist aber zunächst einmal eine gediegene ökumenische Bildung erforderlich, die nach den Ursachen der vielen Spaltungen fragt und die bereits erzielten Annäherungsprozesse rezipiert.

Lothar Lies SJ, Professor für Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Innsbruck, stellt dafür in seinem „Grundkurs Ökumenische Theologie“ wichtige Grundlagen bereit. „In der Römisch-Katholischen Kirche beheimatetet“ und den Kriterien katholischer Theologie verpflichtet, versucht er, „die allen Kirchen gemeinsam und zugleich verschieden zukommenden Gaben des Geistes zum Heil aller Menschen herauszufinden, und so den Kirchen und ihren Gläubigen zu helfen, der sichtbaren Einheit der Kirche entgegenzugehen“ (Hinführung, S. 8).

Das vorliegende Lehrbuch beginnt mit einem konfessionskundlichen Teil (1.=„Das Faktum der Kirchentrennungen“). Darin finden sich Informationen über die Altorientalischen und Orthodoxen Kirchen sowie zu den aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften (einschließlich der Freikirchen). Insgesamt bleiben auf Grund der Kürze einige Lücken; tabellarische Übersichten oder Grafiken hätten deshalb nicht nur in didaktischer Hinsicht gut getan. Dennoch bietet die Lektüre einen gediegenen informativen Überblick, den man durch detailliertere Informationen aus der vom Johann-Adam-Möhler-Institut herausgegebenen „Kleinen Konfessionskunde“ (Paderborn 1996) sinnvoll ergänzen kann.

Anschließend beschreibt Lies zunächst „Außer-katholische Ökumenismusbestrebungen“ (2.) und geht dann auf den „Katholischen Beitrag zum Ökumenismus“ ein (3.). Dabei wählt er eine perspektivische Darstellung, geht also von den jeweiligen Teiltraditionen aus (Ostkirchen, reformatorische Kirchen, Weltkirchenrat, Ökumenischer Arbeitskreis ev. und kath. Theologen Deutschlands, katholische Kirche), um deren Annäherung an andere christliche Kirchen bzw. an die Ökumenische Bewegung insgesamt zu bestimmen. Dieses Vorgehen erleichtert den Leserinnen und Lesern einerseits die Entflechtung des komplexen Dialognetzes; andererseits geht die Gesamtstruktur dadurch ein wenig verloren. Besonders hilfreich scheinen mir Darstellung und Kritik der Stellungnahmen der EKD zum Abendmahlsverständnis aus dem Jahr 2003 (S. 86-101!) zu sein, über die man in anderen Werken nichts findet, die aber für die ökumenische Situation in Deutschland von hoher Bedeutung sind.

Auch im Hinblick auf die katholischen Bemühungen liegt die Stärke des Buches eher auf der Vertiefung einzelner ausgewählter Vorgänge als auf dem Bemühen um einen lückenlosen Gesamtüberblick. Daher ist (neben den vor allem abgrenzenden Stellungnahmen unter Pius IX., Pius XI. und Pius XII.) von den positiven Ansätzen eines katholischen Ökumenismus vor dem Konzil (Una-Sancta-Bewegung, Kardinal Jäger aus Paderborn usw.) mit keinem Wort die Rede. Am ausführlichsten kommt anschließend die Ökumene-Enzyklika von Papst Johannes Paul II. zur Geltung; auf insgesamt 33 Seiten (!) wird jede Einzelaussage präzise referiert und diskutiert.

Der „Grundkurs“ schließt mit grundsätzlichen Überlegungen zur Ökumenischen Theologie heute und in der Zukunft (5.=„Ökumenische Theologie: Fakten, Ziele und Prinzipien“). Besonders interessant ist darin die Darstellung der unterschiedlichen Einheitsvorstellungen, die gegenwärtig zwischen den Kirchen diskutiert werden.

Insgesamt gibt das besprochene Lehrbuch einen gediegenen Einstieg in den Gesamtbereich Ökumenischer Theologie. Ist man sich der verbleibenden Leerstellen bewusst, wird man die exemplarische Behandlung ausgewählter Dialogtexte und Themen sehr zu schätzen wissen. Wer in Religionsunterricht und Pastoral verlässliche Informationen sucht, wird bei der Lektüre gewiss nicht enttäuscht, sollte aber zusätzlich zu weiteren Veröffentlichungen greifen (v.a. P. Neuner, Ökumenische Theologie, Darmstadt 1997; P. Neuner/B. Kleinschwärzer-Meister, Kleines Handbuch der Ökumene, Düsseldorf 2002), die das Gelesene zu ergänzen und zu vertiefen vermögen.

Alfons Knoll

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 4, S. 210f.