Verschwörungstheorien um Jesus Christus

Buchvorstellung - 19.06.2009

Matthias Wörther
Betrugssache Jesus
Michael Baigents und andere Verschwörungstheorien auf dem Prüfstand

Würzburg: Echter Verlag 2006
158 Seiten
ISBN 978-3-429-02821-3

Der fragwürdige Erfolg von Dan Browns „Sakrileg“ offenbart unter anderem einen „theologischen Bildungsnotstand der durchschnittlichen Gläubigen“ (138), aber ebenso bei den sogenannten Ungläubigen. Wie kann ein „gekonnt geschriebener und ziemlich spannender Thriller“, der mit dem Anspruch eines „aufklärerischen und investigativen Enthüllungsjournalismus“ auftritt (7), in vielen Köpfen so viel unkritische Zustimmung ernten?

Wörther bietet hier hilfreiche Kriterien, die „jeder schon im Vorfeld der Diskussion an Verschwörungstheorien anlegen kann“ (11), um „obskure Theorien um Jesus, Kirche, Evangelien, Mönchen und Geheimgesellschaften“ (10) besser entlarven zu können. Ein gewichtiger Ideengeber für Brown ist Michael Baigent, der mit seinen Büchern über den Gral und die „Verschlusssache Jesus“ so manches antikirchliche oder antichristliche Klischee bedient und im theologischen Brachland reichlich krude Behauptungen platzierte, die als der kirchlichen Unterdrückung entrissene Wahrheiten dargestellt wurden.
Stück für Stück enttarnt Wörther die Abwegigkeit und Unhaltbarkeit von Baigents und Browns Unterstellungen. Der Leser lernt genauer hin zu schauen, wie aus Vermutungen im nächsten Satz schon Gewissheiten werden, wie ein „Zirkel des Nichtwissens“ (83) geschickt ein Komplott entwirft – jedoch jenseits aller Regeln der Wissenschaft und in völliger Unkenntnis bzw. Ignoranz von Theologie, Historie, Hermeneutik usw.: „Baigent hat keine Vorstellung, wie theologische Begriffe funktionieren. Er kennt sie nicht, und wenn er sie kennt, hat er sie nicht verstanden“ (111). Er scheint „nie eine Einleitung ins Neue Testament in die Hand genommen zu haben“ (63).
Bei der berechtigten Demontage kann man dem Autor seinen gelegentlichen polemischen Unterton nicht verübeln. Trotz der nötigen Sachkritik gegenüber diesen verkaufsträchtigen „Null-Medien“ erlaubt er sich die ebenso begründete Anfrage, „ob Kirche und Theologie nicht selbst ein Stück weit für diese unbefriedigende Situation verantwortlich sind“ (134): Wieso ist brauchbares theologisches Wissen so wenig verbreitet? Weshalb wird der Glaube oft mit einem Denkverbot gleichgesetzt? usw. Seine knappen Andeutungen zu diesen Fragen erbringen noch keine Antwort, sie legen nur den Finger in die Wunde und weisen grob die Richtung.
Dieses Buch, das überschaubar und theologisch kompetent sich mit dem „Blasphemie-Hype“ auseinander setzt, war überfällig. Liebe Buchhändler, stellt es bitte gleich in die Nähe von Brown & Co., vielleicht lässt sich so am ehesten dem Sakrileg am Intellekt der Leser begegnen.

Reiner Jungnitsch

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 4, S. 209.